Wege zum Frieden 

Am Samstag, 1. November 2025 versammelten sich 220 Christinnen und Christen in der Arche Winterthur, um über Handlungsoptionen rund um die Themen Friedensförderung und Konfliktlösung zu reflektieren. Im Zentrum der diesjährigen StopArmut Konferenz stand das Bild der biblischen Verheissung «Schwerter zu Pflugscharen», welches die Teilnehmenden durch einen Tag reich an Impulsen und Begegnungen begleitete. Ansätze wie die Feindesliebe und die gleiche Würde aller Menschen prägten den Austausch, der Raum für Hoffnung und Antworten in einer krisenerschütterten Welt schaffen sollte. 

(Lesezeit: 11 Minuten)

Im Kontext der gegenwärtigen bewaffneten Konflikte weltweit widmete Interaction die diesjährige StopArmut-Konferenz den Themen Konfliktbewältigung, Friedensförderung und Versöhnungsarbeit. Der Fokus stand dabei auf konkreten Schritten, die Christinnen und Christen unternehmen können, um einen Beitrag in Richtung der Verheissung «Schwerter zu Pflugscharen» zu leisten, die aus heutiger Sicht weit weg erscheinen mag.

Matthieu Dobler Paganoni, Geschäftsleiter von Interaction, eröffnete die Konferenz mit diesen Worten: «Die Geschichten christlicher Akteurinnen und Akteuren sollen die Teilnehmenden dazu inspirieren, Brücken zu ihrem Alltag zu schlagen, um den Frieden in ihrem Umfeld aktiv zu fördern.» 

StopArmut-Tagung 2025 in Winterthur (Bild: Maxsym Tkach (SEA)

Spannung zwischen Verheissung und Realität

In seiner Begrüssungsrede vertiefte Markus Bach, Pfarrer der evangelisch-methodistischen Kirche in Winterthur das Bild der «Schwerter zu Pflugscharen» aus dem Micha- und Jesajabuch und wies auf die grosse Spannung zwischen dem Bild und der Realität hin. In einer Welt, in der Krieg, Gewalt, Aufrüstung und Atombombentests wieder als normales Vorgehen erscheinen, habe das Bild genau dort, wo diese Konflikte und der Terror stattfinden, besondere Relevanz, meinte Bach.

Doch wie können wir als Christinnen und Christen konkret damit umgehen? Der Pfarrer schlug zwei Pisten vor: Vorerst das Bild zum eigenen prophetischen Bild machen, worauf wir hinarbeiten sollen und dann im eigenen Alltag Einstellungen und Handlungen «Schlag auf Schlag umschmieden», damit aus einem «Schwert der Gewalt eine Pflugschar der Liebe» wird – oder wie Jesus es in der Bergpredigt gemäss Matthäus 5,44  sagte: «Liebet eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen.»

 

Ist die Welt heute schlimmer dran als vorher?

Im Anschluss ging Laurent Goetschel, Direktor von Swisspeace, in seinem Referat der Frage nach, ob die Welt heute denn wirklich schlimmer dran sei als vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Betrachtet man namentlich die Situation der UNO, der Menschenrechte, des Handlungsspielraums von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder der Erreichung der Ziele für Nachhaltige Entwicklung, so gab es auch vorher bereits zahlreiche Spannungsfelder: «Weder gelang es, die UNO zu reformieren, noch kamen die Nuklearstaaten ihrer Verpflichtung nach, abzurüsten. Zudem gab es eine ganze Reihe von Bürgerkriegen», nannte Goetschel einige Beispiele.

Zur Einordnung der internationalen Politik seit Beginn des 20. Jahrhunderts führte er aus, dass vor allem zwei Ordnungen hervorstechen: der Realismus, welcher sich auf die Machtverhältnisse zwischen den Nationen bezieht und der Idealismus, der auf der Vernunft basiert: «Je nach Zeitphase und Region dominiert die eine Ordnung oder die andere. Der Pessimismus in Europa ist stark durch den russischen Angriff auf die Ukraine geprägt und sollte nicht zu voreiligen Schlüssen auf den gesamten Zustand der Welt verleiten», erläuterte der Direktor von Swisspeace.

 

Gottes Bild aus anderen herausholen

Im zweiten Hauptreferat der Konferenz ging Anne Reitsema, Geschäftsleiterin von Medair, am Nachmittag unter dem Titel «Würde erstrahlen lassen» zuerst auf die gegenwärtigen staatlichen Kürzungen im Bereich der humanitären Hilfe und die Erhöhung der Militärbudgets ein. Auch diese Entwicklungen deuten eher in Richtung «Pflugscharen zu Schwertern», meinte Reitsema.

Am Beispiel einer persönlichen Begegnung mit einem Kommandanten in einem Konfliktgebiet, griff sie dann die Bedeutung der Menschenwürde auf. Sie wusste von diesem Kommandanten, dass er schreckliche Dinge begangen hatte und musste mit ihm verhandeln, um für die humanitären NGOs Zugang zu schutzbedürftigen Menschen zu erreichen. Indem sie in diesem Menschen sah, dass auch er nach Gottes Ebenbild geschaffen und Gottes Gnade genauso sehr brauchte wie sie, konnte Reitsema die Verhandlung erfolgreich durchführen. So folgerte Reitsema zum Schluss: «Wenn wir Gottes Bild aus anderen herausholen, tragen wir dazu bei, auf Gottes grössere Geschichte der Wiederherstellung hinzuweisen. Wir ändern die Richtung von Schwertern zu Pflugscharen nicht aus eigener Kraft, sondern mit Gottes Hilfe.» 

 

Den Raum für das Gute öffnen

In den vielseitigen Workshops vertieften die Teilnehmenden die Themen rund um die Friedensförderung, Konfliktbewältigung und Versöhnungsarbeit. Bei Sabine Fürbringer, Psychologin, ging es namentlich darum, wie die grosse Menge negativer Schlagzeilen uns bedrängen kann und welche Lösungsansätze es gibt, um in unserem Leben den Raum wieder für das Gute zu öffnen, neben allem Schweren.

Bei Werner Burkhard, einem ehemaligen Anstaltsleiter im Justizvollzug, wurde der Mehrwert von Ansätzen der Restaurativen Justiz, also dem Austausch zwischen Opfern und Täterinnen bzw. Tätern nach geschehenem Unrecht, untersucht.

Und Laurent Goetschel stellte einige eindrückliche Beispiele der Versöhnungsinitiativen von Swisspeace vor, die naturgemäss in der Regel abseits der Medienwahrnehmung stattfinden (siehe Kommentar).

Für die künstlerische Untermalung sorgten an der Konferenz die Gruppe «Songs of Peace» und die Kunstschmiede Hedinger, welche die Teilnehmenden dazu einlud, Patronenhülsen zu «Peace»- Schlüsselanhängern umzuschmieden. Eine schöne Erinnerung zum Nach-Hause-Nehmen, und um den Frieden in unser persönliches Umfeld weiterzutragen.

 

Kommentar: Es geschieht mehr als wir sehen können

(HPS) Inspiriert von der Micha-Initiative, die ich im Rahmen der International Fellowship of Evangelical Students» (IFES) kennenlernen durfte, konnte ich im Jahr 2005 in der Schweiz eine erste Nord-Süd-Konferenz ausrichten, schon damals in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA). Damals wurde von Markus Meury die StopArmut 2015–Kampagne vorgestellt. Seither nehme ich immer gerne an dieser grundlegend wichtigen Tagung teil. Ich verfolge dabei sowohl Fortschritte wie auch Rückschläge auf dem Weg zum biblischen Shalom, zum Friedensreich, das uns vom dreieinen Gott – unserem Schöpfer, seinem Sohn Jesus und seiner Tochter Ruaha (in der deutschen Sprache Heiliger Geist genannt1) zugesagt worden ist.

Dieses Jahr beeindruckten mich vor allem drei Dinge: Einmal die Teilnahme von so vielen jungen Menschen an einer Tagung, die sich mit einem derart anspruchsvollen Thema auseinandersetzte. Sie bildeten quasi die Farbtupfer unter den treuen grauhaarigen Kämpferinnen und Kämpfern, die schon länger für eine Welt im Zeichen der gottgewollten weltweiten Gerechtigkeit unterwegs sind.

Ich war zweitens fasziniert von Anne Reitsema. Als Medair-Geschäftsführerin2 setzt sie sich weltweit für christlich motivierte humanitäre Hilfe ein – und zwar für Freund und «Feind». In diesem Kampf lebt sie mit den Erfahrungen: «Die Dunkelheit kann das Licht nicht auslöschen» und «Wir haben den Kampf um das Mitgefühl nicht verloren». Weil Jesus am Kreuz Frieden gestiftet habe, gehe es nun darum, alle mit ihm zu versöhnen. Die Frage sei dabei nicht «Was kann ich nicht tun?» sondern «Was kann ich tun?».

Und drittens beeindruckte mich Laurent Goetschel, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Basel und Direktor von Swisspeace3. Laut Wikipedia ist Swisspeace ein unabhängiges, praxisorientiertes Institut der Friedensforschung und -förderung mit Sitz in Basel. Es analysiert bewaffnete Konflikte und entwickelt Strategien für deren nachhaltige Beilegung. Das Institut will einen Beitrag zur Verbesserung von Konfliktprävention und -transformation leisten. 

Ganz in diesem Sinne erläuterte Goetschel in seinem Workshop, wie seine Leute mit Partnern vor Ort mit Freund und Feind verhandeln und hartnäckig nach Konfliktlösungen suchen. Bei seinen Beispielen kamen praktisch alle Konfliktgebiete und «Terrorgruppen» der Welt vor. 

Auch wenn Swisspeace nicht ausgesprochen christlich fundiert ist, lebt es doch in vielem die Werte, für die Anne Reitsema – sie quasi direkt von oben inspiriert – lebt. Swisspeace-Stiftungsratspräsident ist übrigens Jakob Kellenberger. Vor dieser neuen Aufgabe war er bekanntlich Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Und Henri Dunant war, wie wir wissen, nicht nur der Gründer des Roten Kreuzes, sondern auch derjenige der schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA). Womit der Kreis wieder geschlossen wäre.

Kurz und gut: Unterwegs zum verheissenen Friedensreich geschieht mehr als wir denken und sehen können. Unser Beitrag ist, diesen Prozess zu fördern, vor Ort4 und über die Landesgrenzen hinaus. Bleiben wir dran, auch im kommenden Jahr!

 

Mehr darüber hier: https://www.insist-consulting.ch/forum-integriertes-christsein/25-7-1-pfingsten-gibt-es-auch-im-sommer-ein-etwas-anderer-blick-auf-den-heiligen-geist.html

2 https://www.medair.org/de/countries/switzerland?gad_source=1&gad_campaignid=23269013706&gclid=EAIaIQobChMIgrWk7pn8kAMVFpKDBx3lHTxQEAAYASAAEgJ_SfD_BwE

3 https://de.wikipedia.org/wiki/Swisspeace

4 https://www.dorfentwicklung.ch

Schreiben Sie einen Kommentar