Literatur: Ich diene nicht mir selbst 

Titel und Cover des Buches empören mich zunächst: «Die Stauffenbergs. Eine grosse Liebe in Zeiten des Krieges.» Ich finde, das klingt nach Groschenroman. Auch ist ein Liebespaar abgebildet, das so gar nicht den authentischen Abbildungen der Stauffenbergs gleicht. Darf man etwas, das so tragisch ist, romantisch verklären? Zuviel habe ich über die Männer und Frauen des Widerstands am 20. Juli 44 gelesen. Sie, die ihr Leben für die Freiheit und gegen den Naziterror riskiert und Grauenvolles erlitten haben.

(Lesezeit: 5 Minuten)

Ich will den fast 400-seitigen Roman1 angewidert weglegen, wäre da nicht der Aufkleber, der Charlotte Roth als «SPIEGEL Beststeller-Autorin» markiert. So niveaulos kann es vielleicht doch nicht sein.

Ich lasse mich ein und werde überrascht. Ja, die Autorin spart nicht mit Szenen, die sich auf die Anfänge der Beziehung von Nina und Claus konzentrieren. Ja, es ist eine hinreissende Lovestory. Jedoch sind bezeugte Fakten darin verwoben und geben einer sehr persönlichen Geschichte Kraft und Glaubwürdigkeit. Der Roman ist eingebettet in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik. Er endet mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944.

«Die Stauffenbergs. Eine grosse Liebe in Zeiten des Krieges» (Buch-Cover) 

Nina und Claus

Nina Schenk ist einzige und privilegierte Tochter eines fränkischen Generalkonsuls und einer baltischen Freifrau. Claus ist der jüngste Spross eines schwäbischen Adelsgeschlechts mit einer vielversprechenden militärischen Karriere. Als die beiden sich kennenlernen, scheint zunächst klar, dass ein wunderbares Leben vor ihnen liegt. Doch die politisch angespannte Situation in Deutschland zeichnet eine Berufung, die sich anders entwickeln wird.

Beider Weg dorthin ist Kern des Romans. Zum einen ist Nina nach dem Krieg fünffache alleinerziehende Mutter. Er, der Karriere machen sollte, geht in den Widerstand und wird mit anderen ermordet. Wie weh es tut, dass das Heimatland vom Claus moralisch zusammenbricht und was es für Nina bedeutet, den geliebten Mann zu verlieren, das entfaltet der Roman einfühlsam und packend.

 

Warum ich den Roman empfehle

Charlotte Roth schreibt leicht und flüssig. Man lernt das Familienleben der Stauffenbergs kennen und spürt die Atmosphäre eines Alltags mitten in einem angefochtenen Leben. Zudem zeigt sich die Stärke einer Ehe in schwieriger Zeit, und es wird beschrieben, welche Kraft sie entfaltet. Der romantische Flirt ist zur tragenden Wertegemeinschaft gereift. Sie steht unerschütterlich zu ihrem Mann, «Rücken an Rücken». Er zeigt sich als zärtlicher Vater. Sie gibt sich praktisch und nüchtern, begabt und mit trockenem Humor.

Eine andere Ressource für zwei starke Persönlichkeiten bildet aber auch der christliche Glaube. Sie sagt: «Man ergibt sich in Gottes Hand, und das ist an sich schon eine grosse Hilfe.»  

 

Versuch eines Fazits

Ich verschlinge die 400 Seiten an zwei Abenden. Ich lerne, dass mein Held Stauffenberg zunächst ganz und gar Mensch ist. Er ist ein Liebender. Er liebt seine Frau, die Kinder und sein Land. Auch trainiere ich das Tolerieren von Mehrdeutigkeit: Schrecken und Schönheit, Tod und Leben liegen so nah beieinander.  Es erfüllt mich mit Ehrfurcht, dass Gott Menschen auswählt und für etwas Grösseres vorbereitet.  Der Gehorsam diesem Weg gegenüber erfüllt mich mit Respekt.

«Ich habe mich ja nun einmal verpflichtet, Deutschland zu dienen», sagt Claus. «Dem Grossen, Ganzen. Nicht mir selbst.» Und: «Weil wir uns alle nicht aussuchen, an welchen Platz wir gestellt werden, und weil darüber kein Nachdenken lohnt.»

 

Eine starke Ehe im Schatten des Dritten Reichs

Das folgende Gedicht verfasste Nina von Staufenberg 1944 während ihrer fünfmonatigen KZ-Haft in Ravensbrück, als sie schwanger mit ihrer Tochter Konstanze, ihrem fünften Kind war.

Du bist bei mir,

Wenn auch Dein Leib verging,

Und immer ist's, als ob

Dein Arm mich noch umfing.

Dein Auge strahlt mir zu

Im Wachen und im Traum.

Dein Mund neigt sich zu mir,

Dein Flüstern schwingt im Raum:

«Geliebtes Kind! Sei stark,

Sei Erbe mir!

Wo du auch immer bist:

Ich bin bei Dir!»

 

1 Charlotte Roth. «Die Stauffenbergs. Eine grosse Liebe in Zeiten des Krieges. Roman.» 2024, München, Droemer Knaur. ISBN 978-3-426-28421-6

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