Eckhart erläutert dies einmal sehr anschaulich1 in seinem Gleichnis vom Zirkel: «Ein Anfänger, der mit einem guten Leben beginnen soll, der beachte folgenden Vergleich: Wer einen Kreis ziehen will, – wie der zuerst den Fuss2 setzt, so bleibt er stehen, bis er den Kreis vollendet; dann wird der Zirkel gut. Das will sagen: Der Mensch lerne zuerst, dass sein Herz beständig werde, dann wird er beständig in allen seinen Werken. Was immer er an grossen Dingen tut – ist sein Herz unbeständig, so hilft es nichts3.»
Kontemplation und Aktion
Eckhart zeigt in diesem Gleichnis das Verhältnis von Kontemplation und Aktion. Ein christlicher Aktivismus, der nicht im Zentrum der Gottesbegegnung gründet, gleicht dem Versuch, mit einem Zirkel einen Kreis zu ziehen, ohne dass der Zirkel fest in seinem Drehpunkt steht: Der Kreis wird notwendigerweise krumm und schief!
Nur wer in der Liebe zu Gott ein «beständiges Herz» sucht und geschenkt bekommt, nur der wird beständig in seinen Werken: Er tut dasselbe, was andere auch tun – er zieht seine Kreise, aber er spürt, dass sie nur dann rund und schön werden, wenn sie in Gott gegründet sind!
Dies entspricht dem Motto aus Hebräer 13,9: «Es ist gut, dass das Herz gefestigt wird, welches geschieht durch Gnade.»
Oder wie das Gerhard Teerstegen poetisch sagt: «Schweig dem Herrn und halt ihm still, dass er wirke, was er will.»
In der Kontemplation überlasse ich mich, bzw. mein Herz dem gnädigen Wirken Jesu Christi, durch den «Gnade und Wahrheit» in die Welt gekommen sind4: Denn durch Mose wurde uns das Gesetz gegeben, aber durch Jesus Christus sind die Gnade und die Wahrheit zu uns gekommen.
Atem-Gebetswort
Damit Sie diesen Zusammenhang verinnerlichen können, empfehle ich das folgende Atem-Gebetswort:
Beim Einatmen: «Deinem gnädigen Wirken ...»
Beim Ausatmen: « ... Überlass ich mich ganz.»
1 Ausführungen inspiriert durch Kunz, «Ihr seid meine Freunde! Von der Freundschaft mit Gott – Einführung in christliche Mystik». Brunnen Verlag, 1997, Seite 17
2 den Standfuss
3 Meister Eckhart, «Die deutschen und lateinischen Werke», hg. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Deutsche Werke III, S. 379
4 Johannes 1,17
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