Bibel: Hoffnung in Krisenzeiten

«Die Hoffnung stirbt zuletzt.» Dieses geflügelte Wort ist vielen geläufig. Vielleicht auch das entsprechende Lied des deutschen Rappers Bushido. Er singt es im Blick auf eine sozusagen gescheiterte Liebesbeziehung: «Die Hoffnung stirbt zuletzt.» So lautete auch der Titel einer ZDF-Sendung, die gegen Ende des letzten Jahres, am 14.12.2024, ausgestrahlt wurde. Woher nehmen wir selber Hoffnung in Krisenzeiten?

(Lesezeit: 9 Minuten)

(Bild von Joe auf Pixabay)

Die Grundlage meiner Gedanken findet sich in 1. Thessalonicher 5,23-24:

«Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar. Er bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun.»

 

Unterschiedliche Erfahrungen von Hoffnung

Es gibt ganz unterschiedliche Erfahrungen von Hoffnung. Zum Beispiel die falsche Hoffnung, die leeren Worte. Da sagt jemand am Bett eines Menschen, der unheilbar krank oder gar am Sterben ist: «Das wird schon wieder.» Hohl und nicht hoffnungsvoll klingt da auch der Wunsch «gute Besserung». Vielleicht haben wir das auch schon selber gesagt, weil uns nichts anderes eingefallen ist und wir überfordert waren. Vielleicht wollten andere uns schon ermutigen mit ähnlichen Worten, die lediglich falsche Hoffnung waren.

Etwas Anderes ist die Wunsch-Hoffnung: «Hoffentlich gibt es morgen schönes Wetter.» Diese Hoffnung mag sich auf die Wettervorhersage stützen oder ein Spiegel meiner Pläne sein, weil ich zum Beispiel morgen einen freien Tag machen will. Ein Wunsch an Gott, ans Universum, ins Blaue hinaus. Existenziell bedeutsam ist diese Hoffnung nicht wirklich. Es wäre einfach angenehm.

Ganz anders hingegen der Wunsch eines Kindes, dessen Eltern sich getrennt haben und das hofft, dass morgen einfach alles wieder gut sein wird. Ein Wunschtraum, eine Hoffnung als Fluchtbewegung aus einer Not heraus.

Während des Bürgerkriegs in Angola betete ich persönlich und auch die verschiedenen christlichen Kirchen immer wieder für Frieden. Wir hofften auf Verhandlungen und Waffenstillstände. Wie in Wellenbewegungen stiegen die Hoffnungen und brachen wieder zusammen, auf und ab. Hoffnung und Resignation wechselten sich ab, Glaube und Zweifel gaben einander die Türklinke in die Hand. So lebten wir zehn Jahre in jenem Land. Für die Bevölkerung war es insgesamt ein halbes Jahrhundert Krieg. Das Gebet für Frieden, die Hoffnung, schien oft für die nahe Zukunft absolut illusorisch, eine reine Träumerei. Und doch flammte diese Hoffnung immer wieder auf.

Einige von Ihnen werden solche Erfahrungen von Wunschträumen und Hoffnungen auch im eigenen Leben kennen: bei chronischen Krankheiten, zerrütteten Beziehungen oder in einer Suchtproblematik. Ein Auf und Ab von Hoffnung. «Die Hoffnung stirbt zuletzt.» Zerplatzt sie als falsche Hoffnung, als Illusion, als Wunschtraum?

 

Die Grundlage der christlichen Hoffnung

Der Apostel Paulus nennt die Grundlage christlicher Hoffnung: «Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun». Christinnen und Christen können auf einen Gott hoffen, der treu ist, der treu zu seinem Wort steht und seine Zusagen wahr machen wird. Diese Behauptung ist kein abstrakter Glaubenssatz im luftleeren Raum. Paulus schliesst damit eine Reihe von Aufforderungen, die uns im Alltag mächtig herausfordern und leicht dazu führen können, sich die Hoffnungen abzuschminken.

Zum Beispiel die Aufforderung im vorhergehenden Vers: «Haltet Frieden untereinander»! Das ist schon im persönlichen Leben herausfordernd und ein Blick in die weite Welt lässt den Satz als frommen Wunsch erscheinen: «Selenski und Putin, haltet Frieden untereinander!»? – «Netanyahu und Hizbollah, haltet Frieden untereinander!»? Manchmal sind Beziehungen total verfahren. Manchmal reden alte Eltern und erwachsene Kinder seit Jahren nicht mehr miteinander. Manchmal finden Paare nicht mehr zueinander, sondern lassen sich scheiden. Die Aufforderung von Paulus, «Haltet Frieden untereinander», erscheint bestenfalls als Wunschhoffnung, schlimmstenfalls als Zumutung. Doch das Zielbild des Friedens, an der die Hoffnung sich orientiert, wird aufgerichtet. Denn «Gott ist treu; er wird es tun». Er ist ein Gott, der Frieden will und Frieden schafft und sein Reich des umfassenden Friedens vollenden wird. Das ist die Grundlage für Hoffnung, mitten in Streit und Entfremdung.

In Vers 14 ruft Paulus dazu auf: «Ermutigt die Verzagten, … habt Geduld mit allen!» Da stossen die meisten von uns schnell an Grenzen. Geduld und Mut gehen immer wieder verloren. Aber «Gott ist treu; er wird es tun». Er schenkt Geduld. Geduld auch mit mir selber, wenn ich verzweifeln und aufgeben will. Mut zu glauben und zu hoffen, dass nicht Verzagtheit und Ängste das letzte Wort haben. Auch wenn sie Menschen immer wieder plagen und befallen, andere und mich. «Gott ist treu.» Darum hänge ich die Hoffnung nicht an den Nagel. Auch wenn ich umfalle oder andere stolpern. «Gott ist treu; er wird es tun.» So stehen wir wieder auf und gehen weiter.

Christinnen und Christen hoffen nicht einfach auf ihre eigenen Kräfte, auf einen wunderbaren Durchbruch des gesunden Menschenverstandes, auf eine Mehrheit der Vernünftigen und Anständigen und Wohlmeinenden, auf wissenschaftliche Entdeckungen und technologischen Fortschritt. Christliche Hoffnung gründet letztlich auf Gott, der treu ist. Auf den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der, wie Jesus pointiert sagte, nicht ein Gott der Toten ist, nicht ein Gott dieser verstorbenen Männer des Alten Testaments, sondern ein Gott der Lebenden1. Wir hoffen mit diesem alten Abraham auf Gott, «der die Toten lebendig macht und was nicht ist, ins Dasein ruft. Wo keine Hoffnung war, hat Abraham auf Hoffnung hin geglaubt2».Wir dürfen uns ihm anschliessen.

 

Hoffnung: Opium oder Ovi?

Vor knapp zweihundert Jahren sagte Karl Marx: Religion bzw. der Glaube an Gott ist Opium des Volks. Opium war damals ein gebräuchliches Schmerzmittel. Bis heute wird es als Morphium bei starken Schmerzen verwendet und in der Palliative Care eingesetzt, damit Sterbende ruhig und schmerzfrei sterben können. Ist christliche Hoffnung ein solches Schmerzmittel, das uns die Widerwärtigkeiten und Ungerechtigkeiten auf dieser Erde halbwegs erträglich macht?! Ist der Satz «Gott ist treu» einfach Opium, bis wir sterben und die Hoffnung mit uns stirbt?!

Schon in der griechischen Antike taucht der Gedanke auf, die Menschen würden sich die Götter nach ihren eigenen Vorstellungen, Wünschen und Hoffnungen gestalten. Gott und Glaube als menschliches Mittel: Bei Xenophanes als Mittel, eigene Sehnsüchte auszudrücken; bei Marx dann als Schmerzmittel.

Religiöse Hoffnung ist eine Spielerei – das steckt im Wort Illusion drin! Zwar eine durchaus nützliche Spielerei, schmerzstillend oder ausdrucksstark und phantasievoll, aber schliesslich eben doch eine Spielerei, ein Zeitvertreib, ein Trick, ohne Substanz und Wahrheit. «Die Hoffnung stirbt zuletzt», sie zerplatzt an der Realität der Welt. Alle Menschen sterben. In ein paar Milliarden Jahren erlischt die Sonne. Um das auszuhalten, greifen viele zu Opium, meint Marx.

Wäre Ovi nicht besser als Opium? Der Apostel Paulus kannte dieses Getränk zwar noch nicht, als er vor zweitausend Jahren formulierte: «Gott ist treu, er wird es tun.» Aber dieses Getränk scheint mir gut zu passen. Hoffnung ist viel eher wie Ovi, nicht wie Opium. Denn «Mit Ovomaltine kannst du’s nicht besser. Aber länger.» Mit der Hoffnung auf Gott und seine Treue wird die Welt nicht plötzlich anders. Die Ungerechtigkeiten sind mindestens so gross wie vor zweihundert Jahren, als sie Karl Marx bedrückten und Religion als Schmerzmittel, als Opium verstehen liessen. Er meinte, wir sollten uns nicht mit einem Gottesglauben betäuben und benebeln und vertrösten, sondern die Ärmel nach hinten krempeln, anpacken und die Ungerechtigkeiten beseitigen. Da bin ich voll mit ihm einverstanden, durchaus ein halber Marxist.

Genau dazu braucht es aber Ovi: Angesichts der Ungerechtigkeiten in dieser Welt – mit allem Bösen, wie Paulus das sehr realistisch sagt (vergleiche Vers 22). Wir kennen unsere Friedlosigkeit, unsere Verzagtheit und Ungeduld, unseren Hang zum Egoismus gut genug. Da brauchen wir Ovi, denn «mit Ovi gaht's nöd besser, aber länger.»

Die Hoffnung auf Gottes Treue ist wie diese Ovi, die uns stärkt, mit der es länger geht – bis Gottes Gnade und Treue sichtbar greifen. Letztlich sogar bis zur Ankunft unseres Herrn Jesus Christus, der Gottes Reich der Gerechtigkeit und des Friedens vollendet, alles Böse endgültig überwindet, all unser Hoffen verwandelt ins Sehen, Staunen und Loben.

 

1 Matthäus 22,32

2 Römer 4,17-18 

Schreiben Sie einen Kommentar