Diese einladende Haltung wird in den jeweiligen Schriften so begründet: «Kommt alle her zu mir, die ihr müde seid und schwere Lasten tragt, ich will euch Ruhe schenken1.» Und: «Ruf die Menschen mit Weisheit und einer guten Ermahnung auf den Weg deines Herrn und streite mit ihnen auf eine möglichst gute Art ...2.» Es muss jedoch betont werden, dass, obwohl die Christen von der Wahrheit Zeugnis geben sollten, nur der Heilige Geist Bekehrungen herbeiführen kann3. Christen sind zudem berufen, Bekehrte zu lehren, wie sie Jesus nachfolgen sollten4.
Die Religion wechseln
Manche Christen und Muslime sind aus verschiedenen Gründen unzufrieden und enttäuscht von ihrer eigenen Religion. Solche Menschen suchen nach einer Alternative, die ihre empfundenen Bedürfnisse befriedigt. Es kommt in letzter Zeit häufiger vor, dass Menschen ihre Religionszugehörigkeit ändern und vom Christentum zum Islam oder vom Islam zum Christentum übertreten.
Ich habe persönlich solche Religionswechsel bei vielen Menschen miterlebt, sowohl in Afrika als auch in Europa. Im Jahre 2000 gab es in Zürich eine öffentliche Veranstaltung, bei dem Muslime ihren Glauben zwanglos und attraktiv vorstellten. In den Vorträgen wurde die Relevanz des Islam für die Europäer erklärt, Literatur verkauft und orientalisches Essen kostenlos ausgegeben. Es waren Schweizer dabei, die bereits zum Islam übergetreten waren, und viele, die den Islam attraktiv fanden, aber noch keine Entscheidung getroffen hatten, ihn formell anzunehmen.
Die meisten dieser Menschen erzählten mir, dass sie in einer christlichen Umgebung aufgewachsen waren, und manche bekannten, dass sie vorher Christen gewesen waren.
Andererseits habe ich einen Geschäftsmann aus einem islamischen Land getroffen, der sein ganzes Leben lang Muslim gewesen war und kürzlich zum Christentum übergetreten ist. Er hatte sich heimlich eine Bibel in seiner Muttersprache gekauft und sie gelesen. Als er nach
Europa reiste, besuchte er Kirchen und sprach mit Christen, und ihm wurde klar, dass es der richtige Schritt für ihn war, Christ zu werden. Wegen der Verfolgung und aus Furcht um sein Leben war es ihm nicht mehr möglich, als Christ in seine Heimat zurückzukehren. Er war bereit, den Preis für seine Bekehrung zu bezahlen und seine Familie und sein Geschäft zurückzulassen und in Europa ein völlig neues Leben anzufangen. Dieser Geschäftsmann wies mich darauf hin, dass er viele Menschen in seinem Heimatland kennt, die vom Islam enttäuscht sind.
Bekehrungsmotive in beiden Religionen
In meiner Doktorarbeit interviewte ich zwanzig Bekehrte, von denen sich zehn vom Christentum zum Islam und zehn vom Islam zum Christentum bekehrt hatten. Die Bekehrungsberichte zeigen, dass von den fünf Bekehrungsmotiven, die ich identifiziert hatte, jeweils zwei bis vier dieser Motive bei jedem Bekehrungsprozess eine Rolle spielten. Die Bekehrungsberichte offenbaren auch, dass die Bekehrung normalerweise über einen ziemlich langen Zeitraum hinweg stattfindet – Monate oder manchmal Jahre. Nachstehend umreisse ich kurz die fünf Bekehrungsmotive, die meiner Erkenntnis nach am wichtigsten, aber nicht die einzigen sind.
1) Religiöse Motive
Dieses Motiv nennt man manchmal «intellektuelles» Bekehrungsmotiv oder, traditionell, «echtes» Motiv. Ein Mensch sucht aktiv nach Erkenntnis über religiöse oder geistliche Angelegenheiten in der Literatur, im Fernsehen, bei Vorträgen oder anderen Medien.
In meiner Studie bedeutet das, dass ein Mensch aktiv Wissen über den christlichen oder islamischen Glauben erwirbt. Einige Bekehrte, die ich interviewte, suchten religiöses Wissen über das Christentum oder den Islam, weil sie ein Problem oder eine «Krise» in der Erfahrung ihres ursprünglichen Glaubens hatten. Der Hauptgrund, der genannt wurde, war, dass man die Lehren oder Rituale nicht «verstand». Da solche Menschen ihre Glaubenslehren nicht mehr verstehen konnten und damit nicht mehr einverstanden waren, fühlten sie sich «gedrungen», den Glauben zu verlassen und Alternativen zu erforschen. Da die neue Religion als «besser» und «verständlicher» empfunden wurde, fühlten sich diese Personen dazu «hingezogen», diese zu akzeptieren.
2) Mystische Motive
Ein mystisches Bekehrungserlebnis ist im Allgemeinen ein plötzliches, traumatisches Erkenntniserlebnis, eingeleitet von einer Vision, Stimmen oder anderen paranormalen Erlebnissen. Ein «paranormales Phänomen» wird gewöhnlich als Erlebnis beschrieben, das sich wissenschaftlich oder rational nicht leicht erklären lässt.
Als Prototyp einer Bekehrung in Verbindung mit einem mystischen Erlebnis in der Bibel gilt im Allgemeinen die Bekehrung des Saulus von Tarsus auf seinem Weg nach Damaskus5. In der religiösen Terminologie versteht man sie daher als eine direkte Intervention der geistlichen göttlichen Macht. In solchen Bekehrungen ist es der Heilige Geist, der «am Werk ist auf eine Weise, die über menschliches Verstehen hinausgeht». In diesem Zusammenhang wird manchmal auch der Begriff «übernatürlich» gebraucht – etwas, das «mit natürlichen oder physikalischen Gesetzen nicht erklärt werden kann» und das seinen Ursprung in der «Geisterwelt» hat.
Wenn Menschen von übernatürlichen Erlebnissen sprechen, meinen sie gewöhnlich einen bedeutsamen Traum, eine Vision oder einen Eindruck, ein aussergewöhnliches Geschehnis oder ein Ereignis, das gewöhnlich plötzlich und unerwartet auftritt. Die emotionale Erregung ist extrem hoch, manchmal verbunden mit Gottesbegegnungen in Ekstasen, Ehrfurcht, Liebe oder sogar Furcht. Eine Offenbarung ist eine aussergewöhnliche Enthüllung, die einem Menschen zuteil wird. Diese aussergewöhnliche Einsicht befähigt einen Menschen, einen Schritt in eine Richtung zu unternehmen, den er normalerweise nicht so leicht getan hätte, nämlich seine Religion zu wechseln. Träume und Visionen können entweder dazu dienen, eine Bekehrung einzuleiten, zu bestätigen oder beides.
3) Zuneigung als Motiv
Dieser Aspekt betont zwischenmenschliche Beziehungen als entscheidenden Faktor im Bekehrungsprozess. Ein Mensch erlebt Zuneigung, indem er von einem anderen Menschen oder einer Gruppe geliebt, umsorgt und bestätigt wird. Zwischenmenschliche Verbindungen werden weitgehend als Werbung betrachtet.
In meinen Interviews erschien dieses Bekehrungsmotiv vor allem in der Form von Zuneigung zu einer Person, die wegen ihrer religiösen Aktivitäten bewundert wird. Solch ein Mensch war entweder ein Freund oder ein Verwandter; er war desselben oder des anderen Geschlechts.
Negative Zuneigungsfaktoren sind oftmals traumatische Ereignisse, etwa der Tod eines Familienangehörigen oder eine Scheidung, die eine Krise im Leben eines Menschen verursachen und ihn in einen Bekehrungsprozess hineintreiben.
4) Sozialpolitische Motive
Dieser Beweggrund bezieht sich auf das Funktionieren eines Einzelnen innerhalb seiner sozialpolitischen Gruppe. Ein Mensch wird aus sozialpolitischen Gründen motiviert, seine Religionszugehörigkeit zu wechseln.
Dieses Motiv trat in meinen Interviews stark hervor, da viele der genannten Bekehrten ihre sozialpolitische Situation als Grund für einen Religionswechsel nannten. Muslime warben zum Beispiel während der Apartheid in Südafrika mit dem Argument, dass die nichtweisse Bevölkerung im Islam den Weissen gleichgestellt sei.
5) Materielle Motive
Dieser Aspekt war für meine Forschung von besonderer Bedeutung und wurde von mehreren Bekehrten genannt. Viele Arme finden sich in einer solch verzweifelten Situation, dass sie ihre Religionszugehörigkeit ändern, wenn es ihren Lebensstandard irgendwie verbessern kann.
Manchmal wird diese Bekehrung als «unrein» bezeichnet, denn sie beinhaltet den Wunsch nach Nutzen wie Nahrung, Kleidung, Geschenken, Unterkunft. Auch ein Arbeitsangebot und ein Stipendium wurden als materielle Bekehrungsmotive genannt. Armut stellt eine Krise dar, die manchmal einen Menschen in einen Bekehrungsprozess «hineindrängt», der zu einem Religionswechsel führt.
Bekehrung vom Islam zum Christentum
Ein Muslim, der am Evangelium interessiert ist und mehr über den christlichen Glauben erfahren möchte, benötigt besondere Hilfe. Christen sollten keine Mühe scheuen, diesem Suchenden die Unterstützung zu geben, die er benötigt, insbesondere, ihn in eine geeignete, leicht verständliche Bibelklasse einzuführen. Ausserdem sollten christliche Werte und die Art und Weise, wie eine christliche Ortsgemeinde funktioniert, bis in die Einzelheiten erklärt werden, ebenso wie die Kirche ihre Praktiken aus Gottes Wort, der Bibel, herleitet.
Gewöhnlich sind Bekehrungen zu Christus ein langer Prozess und das Ergebnis mehrerer Faktoren. Christen sollten jeden Bekehrten mit Liebe und Fürsorge in diesem oft schwierigen Stadium ihres Lebens begleiten. In den meisten Fällen wird der Bekehrte schwer unter Druck gesetzt und leidet unter Verfolgung, weil seine Familie und die örtliche Muslim-Gemeinschaft alles tun werden, was sie können, um ihn wieder zum Islam zurückzubringen.
Diese Reaktion der muslimischen Gemeinschaft basiert auf der Lehre, dass jeder, der den Islam verlässt, ein Verräter ist und Schande über seine Familie bringt. Wenn der Bekehrte seine Einstellung nicht ändert und zum Islam zurückkehrt, wird er in den meisten Fällen aus der Familie ausgestossen und enterbt. Manchmal wird den Bekehrten sogar mit dem Tod gedroht. Nach orthodoxem sunnitischem Glauben hat ein Muslim, der den Islam verlässt, drei Tage Zeit, um seine Position zu überdenken und zum Islam zurückzukehren, sonst erwartet ihn die Todesstrafe.
Daher benötigen die Bekehrten eine neue Familie und Gemeinschaft, in der sie ihr neues Leben beginnen können. Es ist wesentlich, dass eine christliche Familie oder Gruppe jeden Bekehrten quasi adoptiert und sich mit viel Liebe um ihn kümmert. Man muss dabei sowohl geistliche als auch soziale Nöte im Auge behalten.
Was macht eine christliche Bekehrung aus?
Es ist wichtig, dass die Neubekehrten eindeutig verstehen, was Bekehrung bedeutet. Sie sollten das Evangelium vollständig verstehen. Die wichtigsten Punkte sind die Folgenden:
- Man überträgt sein Vertrauen von Mohammed auf Jesus6.
- Man kennt den auferstandenen, lebendigen Jesus Christus als persönlichen Retter und Erlöser7.
- Man lernt Christus als Herrn kennen, dem man unter der Leitung des Heiligen Geistes gehorchen muss8.
- Alle Sünden müssen bekannt werden9. Dazu gehört auch, sich von allen Verbindungen zu Finsternismächten und okkulten Praktiken loszusagen. Falls auf diesem Gebiet Probleme entstehen sollen, sollte man einen erfahrenen christlichen Seelsorger zurate ziehen.
Was heisst christliche Jüngerschaft?
Die folgenden Punkte sollten nicht vergessen werden, wenn man Neubekehrte betreut:
- Man sollte sich ausreichend Zeit nehmen und dem Bekehrten sorgfältig die christlichen Lehren anhand der Bibel erklären. Gebet und christlicher Lebensstil müssen besonders gründlich erklärt werden.
- Bekehrte sollten einen geeigneten Bibel-Einführungskurs studieren10.
- Christen müssen sich davor hüten, dem Bekehrten eine fremde Kultur aufzuzwingen.
- Bekehrte sollten in Gemeinden und christliche Gruppen eingeführt werden, in denen ihnen mit der Liebe und dem Verständnis begegnet wird, das sie brauchen. Man sollte ihnen erklären, wie die Gemeinde funktioniert. Die Kirchen sollten in der Lage sein, solche Bekehrten aufzunehmen und zu Jüngern zu machen.
- Es ist immer hilfreich, die Bekehrten mit anderen Menschen aus einem ähnlichen Hintergrund bekannt zu machen, die ebenfalls zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind. Christen sollten daher bereit sein, sich gründlich zu informieren, indem sie passende Literatur studieren und an geeigneten Ausbildungskursen teilnehmen.
- Die Bekehrten sollten nicht reglementiert oder einem System von Bestimmungen unterworfen werden. Sie benötigen ausreichend Freiheit, um sich zu entwickeln und zu unabhängigen, reifen Christen zu werden.
- Bekehrte sollten sich nach Beratung mit der Gemeindeleitung entscheiden, wann sie getauft werden.
- Es ist unvorsichtig, die Bekehrungsgeschichten zu früh zu veröffentlichen. Es ist oft nicht weise, die Bekehrten in der Öffentlichkeit reden zu lassen, weil es sie zur Zielscheibe militanter Muslime machen kann, oder weil sie hochmütig werden könnten.
- Christen sollten es vermeiden, den Bekehrten über einen längeren Zeitraum hinweg Geld zu geben. Das könnte eine Abhängigkeit schaffen, die von Nachteil ist. Es ist besser, ihnen einen Arbeitsplatz zu suchen, sodass die Bekehrten ein Einkommen erzielen können, oder ihnen ein kleines Darlehen zu geben, das sie zurückzahlen müssen.
Bekehrung vom Christentum zum Islam
Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Menschen vom Christentum abwenden und eine andere Religion annehmen, etwa den Islam. «Wiedergeborene Christen» würden solche Leute vielleicht «Namenschristen» nennen. Es gibt viele Menschen, die in einer christlichen Umgebung aufgewachsen sind und als «Christen» angesehen werden, die aber niemals eine persönliche Entscheidung für Jesus Christus getroffen haben.
In den meisten Fällen werden solche Menschen von der christlichen Gemeinschaft geächtet. Ist das die richtige, christliche Einstellung ihnen gegenüber? Wie hat Jesus reagiert, als seine Jünger sich von ihm abwandten? Jesus übte keinen Druck auf sie aus; er liess die Jünger selbst entscheiden. Er war bereit, sie bedingungslos zu lieben und sie gehen zu lassen, falls sie das wollten11. Sollten die Christen heute nicht dieselbe Haltung annehmen?
Einige praktische Richtlinien:
- Einzelne Christen und Kirchen sind als Ganzes berufen, diesen Menschen in Liebe nachzugehen und versuchen zu verstehen, weshalb sie diese Entscheidung getroffen haben.
- Der freundschaftliche Kontakt sollte niemals abgebrochen werden, auch nicht zu einem Menschen, der darauf besteht, zum Islam überzutreten und den Bekehrungsprozess bis zum Ende durchzuführen.
- Die christliche Gemeinde kann von diesem offenen, freundschaftlichen Kontakt profitieren, indem sie aus möglichen Fehlern lernt und versucht, es in Zukunft besser zu machen.
- Sollte derjenige seine Meinung ändern und zum Christentum zurückkehren, sollte die Gemeinde ihn mit offenen Armen wieder aufnehmen.
Diese freundschaftliche Einstellung ist die richtige Haltung für Christen, um Gottes Liebe anderen weiterzugeben, egal welcher Religion sie angehören.
1 Matthäus 11,28
2 Sure 16,125
3 vgl. z. B. Apostelgeschichte 10,44
4 Matthäus 28,20
5 Apostelgeschichte
6 Johannes 14,6
7 Johannes 1,12; Offenbarung 3,20
8 Johannes 14,23-26
9 Apostelgeschichte 2,38; 1. Johannes 1,9
10 Bibel-Kurs «Al-Kitab»: https://www.scm-shop.de/al-kitab-das-buch.html
11 Siehe zum Beispiel Johannes 6,60-71 und Markus 10,17-22

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