Architektur: Innovatives christlich geführtes Mehrgenerationenhaus beim Kloster Fahr

Der Fachkreis Architektur der Vereinigten Bibelgruppen (VBG) besuchte im August unter der Leitung von Anne-Lise Diserens zum Thema «Innovative Klosteranlagen» das Kloster Fahr. Nebst anderen Veränderungen bietet hier seit 2024 der Verein «erfahrbar» in der ehemaligen Bäuerinnenschule ein christlich geführtes Mehrgenerationenhaus mit 16 Wohnungen an.

(Lesezeit: 7 Minuten)

Das Kloster wurde 1130 gegründet und gehört seither zum Kloster Einsiedeln. Es ist heute eine Aargauer Enklave im Kanton Zürich. Im Kloster leben noch 16 Benediktinerinnen, früher waren es etwa 60 Nonnen. Wie viele andere Ordensgemeinschaften befindet sich auch das Kloster Fahr im strukturellen Wandel. Aufgrund rückläufiger Neueintritte und des demografischen Wandels können viele klostereigene Betriebe nicht mehr von den Konventen selbst betrieben werden.

So wurde in den letzten Jahren im Kloster Fahr mit einer Arealentwicklung ein neues Kapitel aufgeschlagen. Das Gebäude der Bäuerinnenschule aus dem Jahr 1964 wurde vom Architekturbüro Braunneuhaus Architekten GmbH sorgfältig zu einem Mehrgenerationenhaus mit 16 Wohnungen umgebaut.

Schöne Verbundenheit zwischen den Bewohnenden «erfahrbar» und den Nonnen des Klosters Fahr. (Bild: Julia Neuenschwander)

Loslassen und Neues zulassen

Die Entstehungsgeschichte dieses Projektes ist bemerkenswert. Im Jahr 2017 gab es für die Umnutzung eine öffentliche Ausschreibung der Annex-Gebäude und Betriebe. Das Kloster erhielt 26 Projektvorschläge. Den Zuschlag für die Umnutzung der Bäuerinnenschule erhielt die Gruppe «erfahrbar», die sich unter anderem aus der Investorin der christlich-ethischen Pensionskasse Prosperita und dem Verein «erfahrbar» zusammensetzte. Dieses Mehrgenerationenhaus überzeugte das Kloster. Sie gab das Gebäude im Baurecht an die Investorin ab. «Loslassen und Neues zulassen» lautete dabei die Devise von Irene Gassmann, Priorin der Klostergemeinschaft.

 

Ein christlich geführtes Mehrgenerationenhaus

Der Ursprung des Vereins «ehrfahrbar» beruht auf der Idee des Ehepaars Julia und Ueli Neuenschwander, die ein christliches Mehrgenerationenhaus anstrebten. Doch bis es soweit war, brauchte es sehr viel Arbeit und Geduld: zwei Jahre Bewerbungsphase, zwei Jahre Warten auf Bewilligungen aus zwei Kantonen und zwei Jahre Bauzeit. Das Resultat ist ein Beweis dafür, dass sich ein leeres Schulgebäude in ein Renditeobjekt verwandeln lässt, das jedoch wie eine Genossenschaft organisiert ist, mit Arbeitsgruppen, Mithilfe und Selbstverwaltung.

Der Verein «erfahrbar» ist für die Verwaltung und die Zusammensetzung der Bewohnenden zuständig. Julia Neuenschwander, Präsidentin des Vereins, erläuterte, dass es ihr wichtig sei, eine ökumenische Gemeinschaft zu leben, die offen ist für Singles, Paare, Familien, alle Altersgruppen und Menschen verschiedener Nationen. In den früheren Schul- und Internatszimmern wohnen heute 30 Erwachsene und 15 Kinder – vom Neugeborenen bis zur 81-jährigen Frau. Diese Mischung bewährt sich.

Es gibt eine Vielzahl von Gemeinschaftsräumen: eine erweiterte Eingangs-Aufenthaltszone, ein geräumiger Gemeinschaftsraum, ein grosser Estrichraum mit Hometrainern, Boxsack, Töggelikasten und weiteren Geräten. Im Keller steht ein gemeinsamer benutzbarer Werkraum zur Verfügung, und der grosszügige Garten lädt zum Grillieren ein.

Da das Klosterareal mit dem ÖV nicht gut erreichbar ist – die nächste Busstation ist 20 Minuten zu Fuss entfernt –, gibt es einen riesigen Velokeller und ein Angebot mit Mobility-Autos. Einzelne Bewohnende besitzen auch eigene Autos.

Durch wöchentliche Gebete und monatliche Gemeinschaftsessen wird das Zusammenleben untereinander gefördert und gestärkt. Zudem finden Inspirationsabende mit Gebet, geistlichem Impuls und Austausch mit den Schwestern statt. Es ist der Gruppe «erfahrbar» ein Herzensanliegen, das Feuer des fast 1000-jährigen Gebets des Klosters mit- und weiterzutragen und sich auch damit für Ökumene und Versöhnung unter den Konfessionen einzusetzen. Diese spürbare Verbundenheit mit dem Kloster wird sehr geschätzt und ist für beide Seiten ein wertvoller Gewinn. Das ist keineswegs selbstverständlich, wenn ein neuer Wohnungsbau bei einem bestehenden Kloster entsteht.

 

Ein Traum wurde Wirklichkeit

Bei der Besichtigung mit dem Architekten zeigte Thomas Braun, wie die Braunneuhaus Architekten GmbH mit Klein- und Grosswohnungen sowie einer Clusterwohnung (Mischung aus Privat- und Gemeinschaftsräumen) mit fünf Wohneinheiten die verschiedenen Bedürfnisse mit dem Umbau gut erfüllen konnte. Der VBG-Fachkreis Architektur war beeindruckt von der vielfältig zusammengesetzten Gemeinschaft, die nun in der ehemaligen Bäuerinnenschule wohnt.

Die Gruppe «erfahrbar» fasst das Ergebnis so zusammen: «Christinnen und Christen verschiedener Konfessionen und Generationen leben unter einem Dach, mit Jesus Christus in ihrer Mitte. Inspiriert von der Bibel und der benediktinischen Spiritualität suchen wir Gott an diesem Ort des Gebets und des Miteinanders. Dabei setzen wir uns für Versöhnung und ökumenische Einheit in Verschiedenheit ein, lernen voneinander und ermutigen uns gegenseitig zum Wachstum»1. Julia Neuschwander wohnt selber mit ihrer Familie im Mehrgenerationenhaus. Sie ergänzte an der Führung: «Wir hatten einen Traum und jetzt wurde er Wirklichkeit.»

 

Gemeinschaftlich leben ist im Trend

Das gemeinschaftlich, christlich ausgerichtete Zusammenleben scheint einen Nerv zu treffen. Der Verein «erfahrbar» erhält wöchentlich neue Anfragen für freie Wohnungen.

Julia Neuenschwander selbst hat sich dank ihrer Erfahrung mit «erfahrbar» und diverser Weiterbildungen zur Expertin für den Aufbau gemeinschaftlicher Wohnmodelle entwickelt. Sie berät und begleitet diverse kirchliche Nutzungsentwicklungen von Immobilien in der Schweiz und Deutschland2.

 

1 aus der Projektdokumentation 2025 «erfahrbar» der Age-Stiftung:

https://www.age-stiftung.ch/foerderung/erfahrbar-mehrgenerationenwohnen-beim-kloster-fahr

2 Bei Fragen oder Interesse an ähnlichen Projekten steht Julia Neuenschwander gerne zur Verfügung: julia.neuenschwander@fachstellegemeinschaft.net

Schreiben Sie einen Kommentar