Letzte Woche kaufte ich in einem Brockenhaus ein Lehrmittel von 1982, weil ich darin ein schönes Bild meiner Mutter fand, wie sie als erste Frau den Grossen Rat des Kantons St. Gallen präsidierte.
Im abschliessenden Kapitel «Vor grossen Zukunftsaufgaben» las ich Folgendes: «Es gilt, sich Gedanken zu machen über die zunehmende Selbstvergiftung weiter Bevölkerungskreise durch gesundheitsschädliche Chemikalien, Betäubungsmittel, Alkoholgetränke und Tabakwaren. Die Ziellosigkeit und Verwahrlosung einer gelangweilten Wohlstandsjugend, die überfüllten Spitäler und der Mangel an Arbeitskräften bereiten unseren Behörden Sorgen. Kann uns das gleichgültig sein? Nicht unbesorgtes Geniessen macht das Leben schön, sondern Fleiss und zäher Einsatz! Wenn wir uns zudem angewöhnen, jeden Tag anderen Menschen freiwillig einen Dienst zu erweisen, werden wir auch selber immer wieder eine persönliche Bereicherung erleben.» Das Lehrmittel-Buch schliesst mit dem Aufruf: «Lasst uns nicht einfach in den Tag hinein leben, sondern die Aufgaben, vor die wir gestellt werden, frisch und freudig anpacken!»
Smart mit dem Smartphone umgehen
Nach über 40 Jahren ist dieser Zeitdiagnose wenig beizufügen. Und doch empfinde ich, dass die heutige Zeit einige zusätzliche Herausforderungen mit sich bringt. Das Tempo der Veränderungen hat zugenommen. Unsere Multioptionsgesellschaft fordert von uns, dauernd aus vielen Möglichkeiten zu entscheiden. Die digitalen Medien füttern unser Denken mit zweitrangigen bis zerstörerischen Inhalten und berauben uns der Fähigkeit, Beziehungen in der realen Welt aufzubauen. Letztlich sind es Beziehungen, die das Leben ausmachen.
Es ist eine Kunst, sich vom Smartphone nicht dauernd ablenken zu lassen. Weil ich mir als Spielertyp nicht zutraue, smart mit einem Smartphone umzugehen, habe ich entschieden, in Zukunft ohne Smartphone zu leben und das Handy in die Hand meiner disziplinierteren Frau zu übergeben.
Den unbändigen Segen weitergeben
Die gewonnene Zeit habe ich darauf verwendet, mir Gedanken zu machen, wie unser christliches Zeugnis in unserer Zeit aussehen soll, damit die Gute Botschaft von Jesus Christus die heutigen Menschen in ihren aktuellen Herausforderungen und Bedürfnissen abholt. Diese Fragestellung war der Motor, dass ich mit Unterstützung meiner Frau die Lebensgeschichte über unser Leben mit einem Wunder wirkenden Gott in einem Buch unter dem Titel «Unbändiger Segen» zusammengefasst habe1.
Im abschliessenden Kapitel «Gottes Gegenwart wird das Antlitz der Kirche verändern», habe ich in 20 Punkten zusammengefasst, wie meiner Meinung nach die Kirche, respektive die Christenheit aussehen muss, um die Menschen unserer Zeit ansprechen zu können. Gleichzeitig versuchte ich aufzuzeigen, welche Aufgabe wir als Christusnachfolger haben, um Personen, die kein christliches Grundwissen mehr mitbringen, in den ersten Schritten des Glaubens begleiten zu können.
Aus dem Studium von Gottes Wort und der Erweckungsgeschichte bin ich zur Überzeugung gelangt, dass wir vor einer grösseren geistlichen Ernte stehen. Dieses mächtige Geisteswirken wird das Antlitz der christlichen Kirche, ja des Christentums schlechthin grundlegend verändern, mit enormen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Das geschieht aber nur, wenn wir Christen uns selber dem verändernden Wirken Gottes in unserem Leben aussetzen. Sonst besteht die Gefahr, dass wir reine Beobachter oder sogar Kritiker des erwecklichen Wirkens werden.
Das Wesen Gottes in unserer Gesellschaft abbilden
Der Existenzgrund der Kirche ist es, das Wesen Gottes abzubilden. Wie könnte das konkret aussehen? Was wird meiner Meinung nach eine Christenheit in Zukunft charakterisieren, wenn sie ihrem göttlichen Auftrag nachkommt, den Menschen zu dienen?
Hier eine kurze Zusammenfassung:
Viele kleine Leute werden viele kleine Dinge in grosser Liebe tun, was die Kirche und die Gesellschaft zunehmend prägen wird. Das Ich wird weniger wichtig werden, das Du umso wichtiger. Die Anbetung Gottes wird einen grossen Raum einnehmen, sei es in grösseren Gottesdiensten oder in kleinen Hausgruppen. Der Grund dafür wird sein, dass die Christen sich zunehmend als von Gott bedingungslos Geliebte sehen. Fürbitterinnen und Fürbitter werden sich mit Gleichgesinnten zusammentun, um gemeinsam für ihre Mitmenschen zu beten. Einsame Kämpfer werden zu Streitern für die Sache Gottes werden.
Die Top-down-Leiterschaft wird einer flachen Hierarchie Platz machen. Die Aufgabe der Leitenden wird es sein, die Mitarbeitenden freizusetzen, sodass diese ihre gottgegebenen Gaben einbringen können. Grenzzäune werden Brücken Platz machen. Gleichzeitig werden wieder andere Grenzzäune errichtet werden, von Menschen, die nicht bereit sind, sich mit gegenteiligen Überzeugungen offen auseinanderzusetzen. Geistesgaben werden wichtiger werden.
Der Fokus wird auf dem Geber und nicht auf der Gabe sein. Alter, Ausbildung und Geschlecht werden in den Hintergrund treten. Gebet, Gottes Wort und praktische Liebestaten werden ineinanderfliessen. Die Reihenfolge kann verschieden sein. Oft werden Menschen zuerst Gottes Liebe durch eine praktische Tat erfahren oder durch ein wunderbares Eingreifen Gottes auf Gebet hin, bevor sie mit Gottes Wort konfrontiert werden.
Die geisterfüllten Christen werden auffallen durch die Tatsache, dass sie in einer immer chaotischeren Umwelt voller Zuversicht und Hoffnung sind. Sie werden gefordert sein, Auskunft zu geben, was der Grund ist, dass sie so fröhlich und unbeschwert unterwegs sind. Angstgeplagte Menschen werden Hilfe erfahren. Gleichzeitig wird alle künstliche Religiosität offenbar werden, die nicht mit der Kraft des Heiligen Geistes rechnet.
Die Jünger Jesu werden als Salz und Licht in die Gesellschaft hineinwirken und einen Kontrapunkt setzen zu einer rein diesseitig orientierten Umwelt. Mehr und mehr Schlüsselstellen in der Gesellschaft werden von geistlich erweckten Christen eingenommen werden. Der christliche Glaube und Jesus Christus werden zu einem Hauptthema auch der säkularen Medien werden, um das grosse religiöse Interesse der Leserschaft zu befriedigen. Geistliche Eltern werden sich jungen Gläubigen annehmen. Sie werden ihr Leben mit ihnen teilen, sie in den Fragen des Alltags beraten und sie in der Nachfolge Christi begleiten.
Erste Aufbrüche
Zu schön um wahr zu sein? Nein, ich denke nicht, erleben wir doch in unserem Tal (Furttal) erste erweckliche Aufbrüche. Zur Zeit erleben wir, wie der Heilige Geist Menschen mit verschiedensten Hintergründen zu uns führt, denen er auf die unterschiedlichste Weise, manchmal auch in Träumen, begegnet ist. Als Folge davon vertrauen viele von ihnen ihr Leben dem himmlischen Vater und Jesus Christus an und lassen sich taufen.
Von ähnlichen kleinen Aufbrüchen hören wir auch aus anderen Gegenden in unserem Land. Die Frage ist, ob wir Christusnachfolger bereit sind, diesem wachsenden Strom von suchenden Menschen nach Hoffnung, Sinn im Leben und nach praktischer Hilfe in der Liebe Christi und mit der Kraft des Heiligen Geistes zu begegnen.
1 Hanspeter und Vreni Nüesch. «Unbändiger Segen. Unser Leben mit einem Wunder wirkenden Gott.» 2025, Basel, Fontis-Verlag. Gebunden, 376 Seiten, ISBN 978-3-03848-286-4, CHF 32.50.

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