Daniel Burri, Präsident von «Wohnen Schweiz, Verband der Baugenossenschaften», bringt das Problem so auf den Punkt: «Die Wohnungsknappheit ist keine Fiktion, sondern bittere Realität – sie verschärft sich in der ganzen Schweiz.»
Und dazu werden auch Lösungen ins Spiel gebracht. Im Positionspapier «Wohnungsknappheit», Entwicklung Schweiz vom Mai 2025, schreibt der Verband der Immobilienentwickler: «Wir fordern viel und sind Teil der Lösung: Innenverdichtung muss einfacher sein als neu bauen. Die strikte Zonenordnung soll aufgehoben werden. Bahnhofareale müssen entschieden verdichtet werden.»
Öffentliches Interesse: Schutz und Versorgung
Die öffentliche Hand ist verpflichtet, für ausreichend Wohnraum zu sorgen. Artikel 41 der Bundesverfassung verankert zwar kein direktes Recht auf Wohnen, verpflichtet aber Bund, Kantone und Gemeinden, soziale Sicherheit zu gewährleisten und Notlagen vorzubeugen. Wohnraum gehört unweigerlich dazu.
Um diesen Auftrag umzusetzen, setzen Städte und Kantone auf Instrumente wie Wohnbauprogramme, Mietzinskontrollen oder Zweckentfremdungsverbote. Damit sollen Verdrängung und spekulative Entwicklungen begrenzt werden. Die Gemeinden sind gefordert, eine aktive Bodenpolitik zu verfolgen. Dort, wo ihnen der Boden gehört, können sie im Sinn des öffentlichen Interesses auch die Konditionen bestimmen.
Denn die Erfahrung zeigt: Überlässt man die Versorgung allein dem Markt, entstehen vor allem hochpreisige Wohnungen – während Haushalte mit tiefem oder mittlerem Einkommen das Nachsehen haben.
Privates Interesse: Rendite und Investitionssicherheit
Dem gegenüber steht das berechtigte Interesse privater Eigentümerinnen und Investoren, ihre Immobilien rentabel zu bewirtschaften. Doch gerade bei Bestandsliegenschaften zeigt sich, wie stark ökonomisches Gewinnstreben und soziale Stabilität kollidieren können. Nach Sanierungen oder Modernisierungen werden die Mieten oft massiv erhöht. Was von den Immobilienbesitzern als notwendiger Werterhalt deklariert wird, führt in der Praxis häufig zur Verdrängung von langjährigen Mietern und Mieterinnen, die sich die höheren Mietpreise nicht leisten können. Sie müssen sich eine andere Wohnung suchen, die oftmals dann auch in einem anderen Quartier und damit auch in einem anderen sozialen Umfeld liegt.
Eine faire Regulierung muss hier die Waage halten: Investitionen oder auch Ersatzneubauten sollen weiterhin möglich sein, ohne dass langjährige Mietende ihre Wohnungen verlieren. Klare Vorgaben, was als wertvermehrend gilt sowie Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen sind wichtige Hebel.
Was bedeutet gemeinnütziger Wohnungsbau?
Der Begriff «gemeinnütziger Wohnungsbau» bezeichnet Trägerschaften wie Genossenschaften, Stiftungen oder kommunale Wohnbaugesellschaften, die sich nicht an der Gewinnmaximierung orientieren, sondern am Prinzip der Kostenmiete. Das heisst: Die Mieten decken lediglich die Aufwendungen für Bau, Unterhalt und Rücklagen. Überschüsse müssen wieder in den Bestand oder in neue Projekte investiert werden.
Das Ziel des gemeinnützigen Wohnungsbaus ist, Wohnraum dauerhaft bezahlbar zu halten und der Spekulation zu entziehen. Dadurch entstehen stabile Wohnverhältnisse, die auch für mittlere und tiefere Einkommen zugänglich bleiben. Im Unterschied zu privaten Investoren verfolgen gemeinnützige Trägerschaften nicht kurzfristige Renditeinteressen, sondern eine langfristige soziale und meist auch eine städtebauliche Verantwortung.
Die Stärke von Genossenschaften
Genossenschaften nehmen im gemeinnützigen Wohnungsbau eine besondere Rolle ein. Sie sind selbstverwaltet, ihre Mitglieder sind oft gleichzeitig Mieterinnen bzw. Mieter und Eigentümer. Dieses Modell schafft Transparenz, Partizipation und Verbindlichkeit. Die Mieten bleiben stabil, da sie nicht den Marktzyklen, sondern den effektiven Kosten folgen.
Ein Beispiel ist die Stadt Zürich, wo rund ein Viertel aller Wohnungen genossenschaftlich oder zumindest gemeinnützig sind. Hier zeigt sich, dass diese Wohnungen nicht nur günstiger sind, sondern auch Innovationen fördern: energieeffiziente Bauweisen, gemeinschaftliche Infrastrukturen und partizipative Entscheidungsprozesse sind typisch für genossenschaftliche Projekte.
Bestandsliegenschaften im Fokus
Die grösste wohnpolitische Herausforderung liegt nicht im Neubau. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt in bestehenden Gebäuden. Ältere Wohnbauten haben einen ausgewiesenen Renovationsbedarf. Hier stellt sich die Frage, ob und wie sie erhalten werden sollen oder ob sie einem – eventuell grösseren – Bau weichen sollen. Hier entscheidet sich, ob Mieten langfristig bezahlbar bleiben. Zudem sind ältere Bestandeswohnungen oft schlecht genutzt. Ich denke etwa an ältere Ehepaare, die in (zu) grossen Altbauwohnungen wohnen, weil sie günstiger sind als eine kleinere Wohnung in einem Neubau.
Vorkaufsrechte der öffentlichen Hand oder Förderprogramme wie Darlehen oder Bürgschaften der öffentlichen Hand für gemeinnützige Käufe von Bestandsliegenschaften könnten helfen, mehr Wohnungen dauerhaft dem spekulativen Markt zu entziehen.
Fazit: Gemeinnütziger Wohnbau ist das Zukunftsmodell – aber das reicht nicht
Marktkräfte allein schaffen keine soziale Balance, staatliche Regulierungen allein aber auch nicht.
Der Schlüssel liegt in einer Kombination aus klaren Schutzinstrumenten – wie der Wohnschutzinitiative1 – und einer aktiven Förderung gemeinnütziger Bauträger. Nur so lässt sich bezahlbarer Wohnraum sichern, ohne die notwendige Erneuerung des Bestandes zu blockieren.
Leider ist aber der Anteil der Genossenschaften im gesamten Markt heute noch sehr gering. Um diesen Anteil zu erhöhen, ist die private Initiative Einzelner gefordert. Sei es, dass sie sich in Genossenschaften persönlich engagieren oder indem sie Genossenschaften bzw. gemeinnützigen Stiftungen notwendiges Kapital in Form von günstigen Darlehen oder auch Legaten zur Verfügung stellen und damit freiwillig auf einen Teil der möglichen Rendite verzichten.
Wohnen darf nicht zum Luxusgut werden. Genossenschaften, gemeinnützige Wohnbaugesellschaften und ein ausgewogener Mieterschutz sind zentrale Bausteine einer Wohnpolitik, die sowohl soziale Gerechtigkeit als auch Investitionssicherheit gewährleistet.
1 Ziel der Basler Wohnschutzinitiative ist der Schutz von Mietparteien vor Verdrängung, sowie die Sicherung von bezahlbarem Wohnraum. Das Gesetz ist seit 2022 in Kraft. Die Bestimmungen gelten, wenn der Leerwohnungsbestand im Kanton Basel-Stadt unter 1,5% sinkt. Sie beinhalten eine Bewilligungspflicht für Sanierung, Umbau, Abbruch oder Ersatzneubau von Wohnliegenschaften, Mietzinskontrolle nach solchen Eingriffen für eine bestimmte Zeit bei betroffenen Wohnungen, Festlegung von maximalen Nettomietzinsen bei Abbruch und Ersatzneubau sowie maximalen Mietzinsaufschlägen bei Sanierung, Renovation, Umbau, und die Möglichkeit eines Rückkehrrechts für Mieter/innen nach einer Sanierung/Umbau (d.h. sie dürfen wieder einziehen zu regulierten Bedingungen) in bestimmten Fällen. Sie ist in der Bauwirtschaft und bei Immobilienbesitzern umstritten, weil sie befürchten, dass dadurch die Bauaktivitäten zurückgehen, energetische Sanierungen beeinträchtigt werden und Investoren verunsichert sind.
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