Bezogen auf die Universitäten bemängelt Mangalwadi1 in seinem Buch, dass die Bildung hin zur Sinnstiftung verloren gegangen ist. Es fehle an einer gemeinsamen Grundlage.
Veränderungen in der Gesellschaft zeigen sich früher oder später auch in den Volksschulen. Das betrifft auch den Bereich der gemeinsamen Grundlagen und der Sinnstiftung. Damit geht einher, dass die Träger der Volksschule sich wiederkehrend über die Zielsetzung und die nötigen Rahmenbedingungen Gedanken machen und sich einigen müssen.
Lesen und Schreiben für eine ganzheitliche Bildung
In der Bildungsgeschichte war ein erster wichtiger Meilenstein die Entwicklung der Schrift. Das war revolutionär. Das Lesen und Schreiben war jedoch lange nicht allen zugänglich. Anfangs hatten vor allem der Klerus und die einflussreichen Stände – vor allem Adel und reichere Bürger, aber nicht die Bauern – Zugang dazu.
Mit Martin Luther und seinem Anliegen, dass jede und jeder selbst Zugang zur Bibel in seiner Sprache erhält, kam Bewegung in die Volksschulbildung. Luther schrieb in einem Brief an die Ratsherren der deutschen Städte, dass sie sich doch verantwortlich für eine christliche Schule sehen sollten. Nicht die Kirchen allein sollten die Träger der Bildung sein. Er kritisierte sie sogar wegen ihres mangelnden Engagements. So sollten die Ratsherren der deutschen Städte christliche Schulen errichten und halten. Nach Luthers Lehrplan sollten die Kinder mehr als nur handwerkliche Kompetenzen erreichen, verbunden mit der Möglichkeit, für den Lebensunterhalt zu sorgen. Ebenso sollte es um die Seele und das seelische Heil gehen. Er betonte, dass eine gute Bildung, die beides im Blick hat, auch für die Gesellschaft relevant sei. Es brauche Bürger, die das Wohl der Gemeinschaft fördern. Menschen, die über die eigenen Bedürfnisse hinausschauen und im Sinne aller handeln.
Mit religiöser Bildung Werte fördern
Das ist brandaktuell. Erwähnt doch auch der Lehrplan 21, dass gerade die religiöse Bildung dazu beiträgt, dass die jungen Menschen lernen, tolerant und achtsam miteinander umzugehen, andere Weltanschauungen zu respektieren und sich des kulturellen Erbes bewusst zu werden.
Dieses kulturelle Erbe ist mehr als Äusserlichkeiten wie Kirchengebäude und Kunstwerke. Es beinhaltet auch Überzeugungen, Werte und Normen. Diese zeigen sich bei uns ja auch in unseren Rahmenbedingungen: Dazu gehören etwa die in der Verfassung festgehaltenen Rechte, die Gesetze und unsere Feiertage. Somit wäre es der Auftrag der Schule, dafür zu sorgen, dass die Kinder und Jugendlichen verstehen, was dieses Erbe umfasst, was ein Erbe überhaupt bedeutet und wie wir heute damit respektvoll umgehen sollen.
Bildung ist auch heute weit mehr, als die nötigen Kompetenzen zu erwerben, um den Lebensunterhalt selbstständig bestreiten zu können. Bildung heisst, auch dienstbar zu werden für die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse: die Fähigkeit also, anderen dienen zu können und sich um den Nächsten zu kümmern.
In 5. Mose 4 wird eindringlich formuliert, dass die Orientierung an den Geboten und Gesetzen Gottes Weisheit bringt und ein starkes Zeugnis in der Welt darstellt. Gottes Weisungen ermöglichen ein gutes Miteinander. Und das soll der aufwachsenden Generation auch heute noch eingeprägt werden. Auch die Erwachsenen sollten sich daran halten und diese Werte vorleben. Wenn die junge Generation ihnen zuschauen kann, dann prägt sie sich dieses Verhalten ein. Einhalten und Lehren hängen eng zusammen.
Die Themenfelder «christliches Erbe», «Werte und Normen», «Einhalten und Lehren» in Verantwortung vor den Kindern und Jugendlichen müssten deshalb immer wieder auch unter den Lehrenden diskutiert werden. Dabei sollte, wie es Luther formuliert, das Wohl der Gemeinschaft als Maxime im Vordergrund stehen – und nicht das Bedürfnis des Einzelnen. Und da müssen wir mit offenen Augen unterwegs bleiben – in der Schule, aber auch zuhause.
1 Vishal Mangalwadi & David Marshall (Hrsg.): «Eine dritte Bildungs-Revolution. Wie christliche Gemeinden wieder zu Orten der Bildung und Charakterentwicklung werden.» 2023, Korntal, Verlag Truth and Transformation
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