Islam: Ist ein Frieden zwischen Juden, Christen und Muslimen möglich?

Die aktuelle Situation im Nahen Osten ist sehr besorgniserregend. Jeden Tag müssen wir damit rechnen, dass die Lage eskaliert und ein grösserer Krieg entstehen kann. In der Vergangenheit wurden viele Friedensbemühungen gestartet. Sie sind leider, so zeigt die Erfahrung, früher oder später gescheitert. Woran liegt das?

(Lesezeit: 9 Minuten)

Meines Erachtens liegt das Problem beim Judentum und im Islam. Das Gesetz der Rache ist tief in deren Dogmatik und Tradition verwurzelt – nämlich: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Gerade kürzlich las ich in einem Bericht: «Die Hamas hat das israelische Waffenstillstandsangebot abgelehnt, das die sichere Ausreise von Hamas-Männern im Austausch gegen Geiseln vorsah. Die Hamas lehnt seit Monaten jedes Angebot ab; sie will nicht, dass dieser Krieg beendet wird1

Es ist meine Überzeugung, dass einzig in der Bibel, insbesondere im Neuen Testament, ein Weg der Versöhnung und Vergebung aufgezeichnet wird – nämlich durch den Kreuzestod von Jesus Christus. 

(Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay)

Gute Beispiele

Andererseits dürfen wir aber auch sagen, dass es gute Beispiele gibt an verschiedenen Orten in der Welt, auch im Nahen Osten, wo Juden, Christen und Muslime friedlich im selben Dorf oder Stadtquartier leben können und einander mit Respekt begegnen. Leider sind solche Beispiele meist nur im Kleinen zu finden, und sie währen oftmals nicht längerfristig. Die Gründe sind vielfältig: Es kann sein, dass Hass oder Neid aufkommen oder auch, dass fanatische Gruppen die Szene mit Terror vergiften.

 

Meinen der Islam und das Christentum das gleiche?

In diesem Zusammenhang habe ich folgende Erfahrung gemacht: Während meinen Reisen weltweit ist mir aufgefallen, dass es viele liberale Christen und Muslime gibt, die der Ansicht sind, dass beide Religionen im Grunde gleich sind und die Aussagen von Bibel und Koran keine wesentlichen Unterschiede aufzeichnen. Stimmt das? Wenn dem so wäre, dann wäre Missionsarbeit ja unnötig.

Wenn man Themen im Christentum und Islam miteinander vergleicht, können tatsächlich Gleichheiten gefunden werden. Wenn man nur diese Gleichheiten ansieht, dann kann man zum Schluss kommen, dass das Christentum und der Islam in etwa die gleichen Aussagen machen und keine wesentlichen Unterschiede bestehen. 

Ich möchte allerdings betonen, dass dies eben nicht das ganze Bild ist. In jeder Thematik gibt es Gleichheiten, aber eben auch Unterschiede. Diese Unterschiede sind vor allem in wichtigen Themen so gross, dass jeder Harmonisierungsversuch unmöglich ist. Ich möchte drei solcher Unterschiede nennen.

 

Drei fundamentale Unterschiede

1) Jesus als Gottes Sohn

Im NT bezeichnet Gott selbst Jesus als seinen Sohn. Jesus erklärt sich selber als «Gottes Sohn»2.  Aussagen im Koran betonen, dass Allah keinen Sohn haben kann, zum Beispiel die Sura 19,35. Jesus wird im Islam nur als Prophet (Rasul) betrachtet.

2) Kreuzigung von Jesus 

Die Bibel sagt klar, dass es die Mission von Jesus war, auf die Erde zu kommen und den Opfertod am Kreuz zu sterben. Damit alle, die an ihn glauben, gerettet werden, ihnen ihre Sünden vergeben werden und sie ewiges Leben erhalten3. Als Beweise gibt es Augenzeugenberichte, Propheten, die darüber ausgesagt haben und Geschichtsberichte. Im Koran steht in Sura 4,157 geschrieben, dass Jesus nicht gekreuzigt wurde. Muslime lehnen also die Kreuzigung von Jesus ab und behaupten, dass Allah es nie zulassen würde, dass ein Prophet auf solch grausame Weise umkommt.

3) Dreieinheit

Christen glauben an nur einen Gott, der sich aber in der Bibel offenbart in drei Persönlichkeiten: Gott der Vater, Jesus als Gottes Sohn und der Heilige Geist4. Aufgrund der Suren 4,171 und 5,75-56 sind Muslime überzeugt, dass Allah nur einer ist! Muslime verstehen die Dreieinheit in der Regel falsch, indem sie glauben, dass Christen an drei Götter glauben. Die Dreieinheit wird also im Islam abgelehnt!

 

Gott im Christentum und Allah im Islam

Es gibt auch hier Gleichheiten, wie die Allgegenwärtigkeit, die Allwissenheit, die Allmächtigkeit, Gott als Schöpfer und Herrscher. In der folgenden Tabelle sind ergänzend die Unterschiede aufgelistet.

  • Beziehung zu den Menschen

Chr.: Es besteht eine Liebesbeziehung wie ein Vater zu seinem Kind. I.: Es besteht eine Arbeitsbeziehung wie ein Arbeitgeber zum Arbeitnehmer.

  • Offenbarung

Chr.: Gott offenbart sich selbst durch Jesus und zeigt dem Menschen u.a. durch ihn seinen Willen. I.: Allah offenbart nur seinen Willen und sagt, was zu tun ist.

  • Erlösung

Chr.: Es gibt nur einen Weg zur Erlösung: durch Jesus5. I.: Es gibt dazu eine Auswahl von Möglichkeiten: etwa durch gute Werke, durch das Sterben auf der Pilgerreise in Mekka u.a.

  • Garantie

Chr.: Alle, welche Gottes Heilsweg annehmen, erhalten eine Garantie: Wer an Jesus glaubt, hat das ewige Leben6. I.: Allah gibt keine Garantien.

  • Bund

Chr.: Gott macht einen Bund mit den Menschen und hält ihn auch. I.: Allah macht keinen Bund mit den Menschen und behält sich vor, jederzeit seine Meinung zu ändern.

  • Frieden

Chr.: Bei einer Annahme von Gottes Geschenk des ewigen Lebens erlangen die Menschen Frieden in ihren Herzen. I.: Wenn der Islam weltweit in jedem Land die Staatsreligion ist, dann wird Frieden herrschen. Dies wird auf verschiedene Weisen erreicht, so auch durch Eroberungskriege.

 

Aussagen und Lebensweise im Vergleich von Jesus und Muhammad

Zu den Gleichheiten gehören, dass beide in der Wüste lebten und eine Gruppe von Nachfolgern gelehrt haben. Im Folgenden erwähne ich die Unterschiede.

  • Ehe

Jesus: Gottes Plan für die Ehe ist umschrieben in der Schöpfungsgeschichte und Jesus hat dies bestätigt: die Ehe besteht zwischen einem Mann und einer Frau7. Muhammad: Er ist ein Vorbild für alle Muslime. Er hatte rund 10 Frauen. Im Koran wird die Zahl aber in der Sura 4,3 für Muslime auf 4 Ehefrauen begrenzt.

  • Vollmacht, Sünden zu vergeben

Jesus: Er hat die Vollmacht und Autorität den Menschen ihre Sünden zu vergeben8. Muhammad: Es gibt keine Angaben im Koran, dass Muhammad jemals die Vollmacht hatte, den Menschen ihre Sünden zu vergeben.

  • Zukünftiges Reich

Jesus: Er verkündete das zukünftige Königreich Gottes, basierend auf Wahrheit, Liebe, Frieden, Freude, Demut und einem Leben voller Hingabe zu Gott9. Muhammad: Die Vereinbarung, die Muhammad mit den Führern von Medina im Jahr 622 machte, legte das Fundament für seine zukünftige politische Laufbahn: die Basis für die militärischen Eroberungen des islamischen weltlichen Reiches.

  • Macht und Eigeninteresse

Jesus: Er war sich seiner Mission bewusst und gehorchte seinem Vater im Himmel. Obwohl er wusste, dass er am Kreuz sterben wird, ging er nach Jerusalem. Er starb als ein Opfer für alle Menschen, die an ihn glauben10. Muhammad: Als Muhammad sich in Mekka bedroht fühlte, flüchtete er nach Medina (622). Er ging dahin, wo seine persönliche Sicherheit gewährleistet war. In Medina gründete er eine Armee und erstarkte mit Macht und Reichtum.

  • Vergebung unter Menschen

Jesus: Er forderte seine Jünger auf, anderen Menschen bedingungslos zu vergeben, sogar gegenüber Feinden11. Muhammad: Er praktizierte die «Blutrache» gemäss dem Motto Auge um Auge, Zahn um Zahn. Es gibt im Islam keine bedingungslose Vergebung unter den Menschen.

  • Nachfolger

Jesus: Er verkündigte, dass nach seinem Tod der Heilige Geist kommen und die Jünger führen wird12. Er ernannte den Heiligen Geist als seinen Nachfolger. Muhammad: Er ernannte keinen Nachfolger. Die Frage nach dem Nachfolger führte zu Streit unter den Führern, und es entstand die erste Spaltung unter den Muslimen: Sunni und Shia. Dieser Machtkampf begann nach dem Tode Muhammads und dauert bis heute an.

 

Fazit

Die Unterschiede zwischen Christentum und Islam spielen bei der Frage des Friedens zwischen Juden, Christen und Muslimen eine entscheidende Rolle, die nicht übergangen werden können. Das stärkste Friedenspotenzial müssten eigentlich die Christen ins Gespräch bringen, auch durch gewaltlose missionarische Tätigkeiten im Zeichen der Liebe. Es ist meines Erachtens sehr wichtig, dass Christen lernen, die ganze Wahrheit zu vermitteln: dass es zwar Gleichheiten gibt, aber auch Unterschiede. Dabei sollte die Heilsbotschaft von Jesus Christus in einer verständnisvollen Art und Weise erklärt werden.

 

1 Obrist-Impulse, Oktober 2024

2 siehe Lukas 9,35; Matthäus 11,27; Johannes 14,20

3 siehe Johannes 3,16; 5,24; 14,6; 20,31

4 siehe 5. Mose 6,4; Markus 12,32; Matthäus 18,10; Johannes 17,1-5; 14,16-17

5 Johannes 14,6

6 Johannes 5,24

7 1. Mose 1,27; 2,21-25; Markus 10,2-12

8 Matthäus 9,1-8; Markus 2,1-12

9 Matthäus 26,26-29; 1 Petrus 2,9; Offenbarung 1,5

10 Matthäus 20,17-19

11 Matthäus 6,14; Lukas 6,27; 11,4

12 Johannes 14 – 16

Die Bibelverse sind der Bibelübersetzung «Neues Leben», deutsche Ausgabe von 2006, entnommen.

Die Koranverse sind der folgenden Ausgabe entnommen: Rudi Paret, Stuttgart 2004, 9. Auflage (Kohlhammer).

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