Kürzlich erhielt ich ein ermutigendes e-Mail1 mit der folgenden Botschaft: «Dein persönliches Engagement ist ja sehr davon geprägt, Brücken zu bauen. Letzthin habe ich dein Buch über die wertorientierte Ortsentwicklung unserem Gemeindepräsidenten geschenkt. Er hat sich sehr gefreut ('... noch nie so ein Geschenk bekommen …') und rückgemeldet, dass er angefangen hat zu lesen. Werde ihn sicher wieder ansprechen. Auf jeden Fall hat er nun unsere beiden Ortskirchen eingeladen, mit dem Team der politischen Gemeinde zusammen am Dorffest nächstes Jahr eine Festbeiz und ein kulturelles und kirchliches Programm zu gestalten. Geht also schon in diese Richtung …»
Diese Initiative gefällt mir besonders deshalb, weil solche Veränderungen von der Spitze des Systems – dem Gemeindepräsidenten oder der Gemeindepräsidentin – mitgetragen werden müssen. Und da ist der Weg zu einem Gespräch mit diesen Schlüsselpersonen ein naheliegender Schritt.
Die Chance von Freikirchen
Im Untertitel des erwähnten WDRS-Buches heisst es « ... und was die Kirche dazu beitragen kann»2. Für solche Entwicklungen braucht es Christinnen und Christen – zusammen mit anderen werteorientierten Menschen im Dorf, in der Region oder im Stadtquartier. Darum freut es mich, wenn ich hie und da von Kirchen und Freikirchen zu einer Buch-Präsentation eingeladen werde, wie kürzlich vom Evangelischen Gemeinschaftswerk (EGW) Uetendorf. Ich war erstaunt, wie viele Menschen zu diesem Abend gekommen waren, obwohl es, wie ich gleich zu Beginn «warnte», diesmal gar nicht um sie selber ging, wie man das an frommen Anlässen gewohnt ist, sondern um ihre Nächsten – die Menschen in ihrem Umfeld. Ein grosser Teil der Zuhörenden gehörte zum Segment der jungen Erwachsenen. Das war meine zweite Überraschung. Möglicherweise ist gerade in den jüngeren Generationen der Wunsch stark, den Glauben auch vor Ort konkret werden zu lassen. Dies, obwohl in diesem Alter oft die Ausbildung, die berufliche Karriere oder das Gründen einer Familie im Vordergrund stehen. Wobei gerade Letzteres – der Aufbau einer Familie – ein quasi natürlicher Grundstein für eine werteorientierte Entwicklung vor Ort ist. Rund um die Schule wachsen viele Kontakte und man kommt auch als Neuzuzüger rasch im Dorf- oder im Stadtquartier an. Wenn zum schulischen Netzwerk – oder zur Vernetzung in Vereinen – dann auch noch das gemeinsame Gebet mit Gleichgesinnten im Dorf oder im Quartier dazukommt, entsteht ein Gesamtbild, das deutlich macht, wo für die Ortentwicklung angesetzt werden könnte. Da Freikirchen wie das EGW Uetendorf Regionalgemeinden sind, ergibt sich die Chance, solche Prozesse gleich in mehreren Dörfern anzustossen, immer wieder unterstützt und begleitet von der regionalen «Tankstelle» im Gottesdienst am Sonntag.
Unsere «Landeskirchen» sind ja an sich schon örtlich orientiert. Wenn dann noch eine Evangelische Allianz oder ein ökumenischer Kreis vor Ort dazukommt, ist die Basis für eine von Christen mitgeprägte Entwicklung gegeben.
Werteorientierte kommunale Parteipolitik
Bei uns in Oberdiessbach entstand aus der örtlichen Evangelischen Allianz sogar eine politische Partei – die Evangelische Volkspartei (EVP) Oberdiessbach. Man muss nicht ein politisches Amt in der Exekutive oder in politischen Kommissionen ausüben, um werteorientierte Ortsentwicklungen fördern zu können. Aber, wenn dies möglich wird, hilft das natürlich ungemein.
Als ich nach Oberdiessbach kam, war die «Eidgenössische demokratische Union» (EDU) im Gemeinderat vertreten. EVP-nahe Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich bei den Wahlen jeweils als parteilose Kandidaten auf der Liste der EDU, um die christliche Stimme in der Politik zu stärken. Als es der EDU aber nicht mehr möglich war, eigene Leute für politische Ämter zu finden, nahmen das einige Allianzchristen nicht hin. Dazu gehörte auch ich. Wir wollten die ausdrücklich christliche Stimme in der Ortspolitik weiterhin vertreten haben und gründeten eine EVP. Im Vorfeld bat ich den damaligen Präsidenten der lokalen EDU um seinen Segen für diesen Schritt, den ich nach einer kurzen Bedenkzeit dann auch erhielt.
Obwohl das WDRS-Konzept naturgemäss überparteilich sein muss, freut es mich jeweils, wenn ich von einer ausdrücklich christlichen Partei wie der EVP dazu eingeladen werde, an einer ihrer öffentlichen Versammlungen mitzuwirken und Impulse zum Anliegen der werteorientierten Ortsentwicklung zu geben – wie etwa im Kanton Baselland oder anfangs des nächsten Jahres in der Region Biel. Ich stelle dabei jeweils die im Buch erwähnten sieben Strategien vor, kombiniert mit Erfahrungen aus Oberösterreich und der Schweiz. Dabei ist es mir jeweils wichtig, dass die Zuhörenden gemäss ihrer politischen Gemeinde zusammensitzen und die Impulse gleich interaktiv auf den eigenen Gemeindeboden bringen.
Ein weltweit nutzbares Konzept
Die im Buch erwähnten Strategien beruhen auf meinen Beobachtungen im oberösterreichischen Steinbach an der Steyr Ende der 90er-Jahre. Sie waren für mich ein wichtiger Anstoss für meine Bekehrung zum Stadtquartier – damals in St.Gallen – und später zum Dorf Oberdiessbach. Die Strategien sind keine Erfindung von mir. Reto Steiner, Direktor der School of Management and Law an der ZHAW Winterthur, sagt dazu: «Die in diesem Buch vorgestellten sieben Strategien entsprechen der allgemein anerkannten 'best practice' der Ortsentwicklung, die Werte werden nachvollziehbar begründet.» Und weil diese Werte weltweit für Dorf-, Regional- und Stadtentwicklungen hilfreich sind, werde ich sie im kommenden Jahr voraussichtlich auch in einem osteuropäischen Land an einheimische Multiplikatoren vermitteln. Aber das ist eine andere Geschichte ...
Kurz: Das WDRS-Buch wäre ein im guten Sinne anstössiges Weihnachtsgeschenk für ihren Freundeskreis. Näheres dazu finden Sie auf unserer Website zur Dorfentwicklung3 – und im Buch, das Ihnen der Verlag4 gerne zustellt.
1 Absender war der Friedensaktivist und Brückenbauer Tom Sommer. Seine filmischen Aktivitäten sind hier greifbar: www.dialoghorizont.com
2 Angaben zum Buch: https://www.dorfentwicklung.ch/gemeindebarometer-1.html
3 Videotalk zum Buch: https://dorfentwicklung.preview.jumpbox.ch/gemeindebarometer-1/videotalk-zum-buch.html
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