Kürzlich war ich mit dem E-Bike unterwegs, um beim Bauern Äpfel einzukaufen. Unterwegs traf ich einen Fussgänger, den ich erst im letzten Moment erkannte: Es war ein alter Freund, der nicht mehr im Dorf wohnt. Bevor ich an ihm vorbeirauschte, rief ich ihm seinen Namen zu, verbunden mit einem «Salü». Was hatte ich eben gesagt? Ich hatte diesem alten Freund im Vorbeifahren das Heil – le salut – des dreieinen Gottes zugesagt. Jemandem, der, wie ich wusste, mit vielen Schwierigkeiten belastet war. Mehr als diese Zusage war aus Zeitgründen nicht möglich. Aber ich freute mich über dieses christliche «Kraftwort» und verband es beim Weiterfahren mit einem zusätzlichen Gebet.
Grüssen ist cool
So lautete eine Initiative für die Dorfentwicklung im oberösterreichischen Steinbach an der Steyr, das für mein Buch zur werteorientierten Dorf-, Regional- und Stadtentwicklung zum Vorbild geworden ist1. Hintergrund dieser Aktion war die Erkenntnis einer 4. Klasse in der Primarschule Steinbach: «Es wird immer weniger gegrüsst2.» Daraus entstand die Idee, einen schulinternen Wettbewerb zur Gestaltung eines Aufklebers zum Thema «Grüssen» durchzuführen. Es gewann ein Mädchen, das als Motiv ein fröhliches Gesicht gezeichnet hatte, umkreist vom Text «Grüssen ist cool – Keine Sorgen miteinander». Durch den Auftritt der Schüler in einer Radiosendung wurde ein Sponsor für den Druck des Aufklebers gefunden. Die Kinder besuchten anschliessend alle Haushalte in Steinbach und übergaben die Aufkleber, verbunden mit der Bitte, diese sichtbar anzubringen und sich aktiv am Grüssen zu beteiligen. Die Klasse textete zudem ein Lied, das die verschiedenen Arten des Grüssens als Thema aufgriff. Das Anliegen an die Erwachsenen war: «Bitte grüssen Sie doch zurück, wenn Sie von einem Kind gegrüsst werden.» Ein Gast bemerkte einige Monate nach Beginn der Aktion: «So etwas habe ich noch nie erlebt. Auf einem Wegstück von 50 Metern wurde ich dreimal von Kindern gegrüsst.» Bilanz der Aktion: Mit dieser Gruss-Initiative wurde die Schulgemeinschaft gestärkt, Kinder grüssen seither bewusst Erwachsene und Erwachsene grüssen bewusst (auch) Kinder. Kurz und gut: Kinder bringen sich auf diese Weise in die Dorfentwicklung ein.
Kurt Enderli, damaliger Gemeindepräsident der Thurgauer Gemeinde Wilen, übernahm diese Aktion für sein Dorf. Und erlebte ähnliche Auswirkungen. Eine Idee, die auch weiteren Schweizer Dörfern und Quartieren von Schweizer Städten gut tun würde3.
Grüssen mit Gehalt
Das bewusste Grüssen wurde mir auch an der letzten Schweizer Landesausstellung – an der Expo 02 – wichtig. Ich hatte mich als Freiwilliger für die kirchlichen Projekte in Murten gemeldet und beteiligte mich gut eine Woche lang als Begleitperson bei den Cabanes: Das waren in den Murtensee gebaute kleine Hütten, die jeweils über einen brückenartigen Steg mit dem Festland verbunden waren. In jeder Hütte gab es visuelle Denkanstösse zum Glauben. Meine Aufgabe war es, eine der Hütten zu überwachen und wo nötig Auskunft zu geben. Ich verband diesen Auftrag bewusst mit einem Grussritual: Die Eintretenden begrüsste ich mit «Grüess Gott» und bei der Verabschiedung wünschte ich «A Dieu». Das wurde von den einzelnen Besuchenden wohl unterschiedlich bewusst wahrgenommen. So oder so: Ich freute mich, diesen Menschen segnend begegnen zu können – und sie zwei Mal Gott anzubefehlen.
Seither grüsse ich auch in unserem Dorf bewusster: im Quartier alle, im Dorf auch Menschen, die ich nicht oder kaum kenne, zumindest dann, wenn sie mich ansehen. Dazu muss ich zu Fuss unterwegs sein – oder auf dem E-Bike. Manchmal ist nur ein neutrales «Hallo» oder ein «Hoi» passend, oft aber auch ein bewusstes «Salü», «Grüess Gott» oder «Adieu». In Österreich gibt es zum Abschied sogar das berührende «Bhüeti» – ein «Behüte dich Gott». Kurz und gut: Unser Grüssen – die kurze Begegnung zwischen Mensch und Mensch –, hat auch das Potenzial einer Begegnung zwischen Mensch und Gott.
Mehr als eine Grussformel
Zum Schluss als kleine Spielerei vier Dialoge zum Thema4. Offensichtlich hat mich das Thema schon früher beschäftigt ...
I
A: Grüess ech Gott.
B: Gott grüess ech. – Grüesst er nech?
A: He? – Aber nei, das seit me dänk eso.
B: Dänk! – Dänket er?
II
B: Wi geit s bi goscht?
A: Es geit wi gäng.
B: Wäm?
A: He, dänk mir.
B: U bi däm?
A: Was meinsch?
B: Bi Goscht!
A: Bi Goscht? – Sappermoscht!
III
A: Lue da, der Gottlieb! Gottlob!
B: Gottlob der Gottlieb! – Gott lob? Gott lieb? Liebgott?
A: Gottlob der Gottlieb!
IV
A: Mir längt s. – Adieu!
B: A Dieu?
1 Schmutz, Hanspeter. «Wenn die Bevölkerung das Dorf entdeckt. Sieben Strategien für eine werteorientierte Ortsentwicklung – und was die Kirche dazu beitragen kann.» Bern, 2023, Berchtold Haller Verlag. ISBN: 978-85570-158-2.
2 Oberösterreichischer Verein für Entwicklungsförderung. «Gemeinsam gewinnen – Der Steinbacher Weg. Ein Modell für die Lokale Agenda 21.» Steinbach an der Steyr, 2006.
3 siehe bei 1 das Kapitel über Wilen: Einführung einer werteorientierten Ortsentwicklung.
4 HPS 18.10.86
Bücherrundschau
Beschenkt
Hans-Joachim Eckstein, emeritierter Professor für Neues Testament, ist bekannt für seine humorvolle und für Laien gut verständliche Art, die Bibel auszulegen. So etwa an seinen Schönblick-Seminaren in Schwäbisch-Gmünd, die von Hope TV verbreitet werden. Er tritt auch ab und an zusammen mit einer Band auf, die seine lyrischen Texte vertont. Und legt dabei die Bibel aus. Nun liegt ein kleiner, feiner Lyrikband vor, der diese Seite des brillanten Theologen zum Glänzen bringt. Hier erwarten uns Gedankengänge und Gedichte, die in einer heutigen Sprache alte geistliche Weisheiten in Worte fassen und so neu zugänglich machen; teilweise illustriert mit Skizzen von Stefanie Bahlinger. Prädikat: Wertvoll.
Eckstein, Hans-Joachim. «Beschenkt». Wetzlar, 2024, adeo Verlag. Gebunden, 96 Seiten, CHF 17.90, ISBN 978-3-86334-391-0
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