In der Mehrzahl der Fälle von abgewiesenen Asylgesuchen funktioniert dies auch so. Die betroffenen Menschen verlassen die Schweiz selbständig. Tun sie dies nicht, so werden sie notfalls mit Zwang ausgeschafft.
Dies trifft aber nicht auf alle Menschen mit einem abgewiesenen Asylgesuch zu. Einigen ist die Ausreise gar nicht möglich, beispielsweise weil sie keine heimatlichen Reisepapiere erhalten können. Oder sie befürchten schwere Menschenrechtsverletzungen im Heimatland, die bei uns zwar nicht zur Gewährung von Asyl geführt haben – aber doch bedrohlich sind. Auch können nicht alle Personen mit abgewiesenem Asylgesuch ausgeschafft werden, beispielsweise wegen fehlender Rücknahmeübereinkommen mit ihrem Herkunftsstaat oder weil der Zielstaat bei einer Ausschaffung ihre Aufnahme verweigern würde.
Wie sinnvoll ist die Nothilfe?
Diese Menschen bleiben in der Schweiz als sogenannt «Abgewiesene». Sie erhalten keinen Ausweis und Status, sondern leben in einer «regulären Irregularität». Die Schweizerische Bundesverfassung garantiert allen Menschen, unabhängig von ihrem Status, in der Schweiz die Sicherung ihrer Existenz. Daher erhalten Abgewiesene Nothilfe.
Diese soll das Überleben sichern, mehr aber nicht – damit der Druck zur Ausreise hoch bleibt. Konkret bedeutet das für Einzelpersonen über Jahre ein Leben in Mehrbettzimmern, manchmal in Zivilschutzanlagen unter Tag. Je nach Kanton erfolgt eine Auszahlung von rund CHF 8.– bis CHF 12.– pro Tag für Essen, Kleidung, Hygiene, öffentlicher Verkehr oder es werden Sachmittel abgegeben. Für diese Menschen besteht ein Arbeitsverbot. Auch Ausbildungen und Freiwilligenarbeit sind nicht erlaubt. Ziel ist ja gerade nicht die Integration in die Schweiz, sondern die Ausreise. Dazu kommt die ständige Angst vor Ausschaffungen. Manche Menschen leben über zehn, zwanzig Jahre in diesem Nothilfesystem. Auch die zugehörigen Kinder wachsen in diesen Verhältnissen auf. In einzelnen Kantonen besteht in wenigen Fällen die Möglichkeit für eine sogenannte «Härtefallbewilligung» und damit ein mindestens vorläufiges Bleiberecht. Für die grosse Mehrheit aber ist die Nothilfe eine Sackgasse ohne Perspektive.
Gleichzeitig kostet das Nothilfesystem die öffentliche Hand Geld. Geld, um Menschen zu unterstützen, die in vielen Fällen eigentlich arbeiten und für sich selber aufkommen könnten. Führt hier die rechtsstaatliche Konsequenz nicht zu Lösungen, die ihrerseits gegen rechtsstaatliche Prinzipien wie das Verhältnismässigkeitsprinzip verstossen und dem Gerechtigkeitssinn widersprechen? Verlangt das Rechtsstaatsprinzip wirklich, Menschen unbefristet in dieser Situation verharren zu lassen? Oder gibt es andere Ideen?
Ein möglicher Ausweg aus der Sackgasse
Einen möglichen Weg aus der Sackgasse könnte eine Idee aus dem Alten Testament aufzeigen. Bereits im damaligen Mesopotamien und dann auch in den mosaischen Gesetzen ist die Institution eines «Erlassjahres» bekannt: Alle 7 Jahre sollten die Felder ruhen, sollten gegenseitige Schulden erlassen werden und sollen sogar Sklaven frei gelassen werden.
Diese Vorschriften dienten wohl zur Wiederherstellung eines gewissen sozialen Gleichgewichts. Sollten wir uns das nicht zum Vorbild nehmen? Der Kanton Freiburg hat mit dem Programm «FriRAD» bereits einen Schritt in diese Richtung unternommen: Bei allen, die 5 Jahre in der Nothilfe gelebt haben, wird automatisch geprüft, ob ein Integrationsprozess mit dem Ziel einer Aufenthaltsbewilligung in Frage kommt. Stehen die Zeichen gut, wird in die Ausbildung der Menschen investiert, um sie dem Arbeitsmarkt zuzuführen. Damit wird die Staatskasse langfristig entlastet und dem Fachkräftemangel begegnet. Und für die Einzelnen öffnet sich eine Perspektive aus der Sackgasse.
Diese Idee sollte gesamtschweizerisch weiterentwickelt werden, auch für Personen, die nicht mehr arbeiten können. Denn ganz im Sinne des Erlassjahres sollte im humanen Rechtsstaat kein Mensch unbefristet in der Perspektivenlosigkeit des Nothilferegimes verharren müssen.
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