Jubiläum: Die «Christlichen Geschäftsleute Schweiz» feiern ihre Geschichte und ihre Gegenwart

Mitte August feierten die «Christlichen Geschäftsleute Schweiz» (CGS) an ihrer Jahresversammlung in Baar das 40-Jahr-Jubiläum. Am Festanlass wurden Geschichte und Gegenwart dieses Netzwerkes gefeiert. Als Sohn des Gründers durfte ich während dieser Feier in einem Kurzreferat die Anfänge nachzeichnen. Und erlaube mir an dieser Stelle auch den Blick in eine mögliche Zukunft.

(Lesezeit: 12 Minuten)

Die Christlichen Geschäftsleute Schweiz (CGS) sind heute vor allem bekannt durch ihr Mitgliederverzeichnis in Form einer Broschüre mit über 650 Unternehmen und Organisationen, geografisch geordnet und mit Stichworten zum Geschäftszweck versehen. Die Grundidee dieser christlichen Branchenbroschüre ist die Förderung der Solidarität: «Kundinnen und Kunden und CGS-Mitglieder berücksichtigen einander beim Einkaufen oder dem Bezug von Dienstleistungen». CGS organisiert zudem Apéros bei Mitgliedern, die es ermöglichen, «ein Netz von Kontakten zu knüpfen, aus denen sich gegenseitige Geschäftsabschlüsse ergeben können»2.

Am Anfang dieser Bewegung stand ein Briefträger und Prediger, der die Solidarität unter christlichen Geschäftsleuten fördern wollte: mein Vater Fritz Schmutz aus Worb BE.

Der aktuelle CGS-Präsident Markus Hess – und im Hintergrund sein Vorläufer Fritz Schmutz (Bild: Livenet, Caroline Hauri)

Wovon mein Vater geprägt wurde

Um die Anliegen meines Vaters zu verstehen, müssen wir fragen, wer und was ihn geprägt hat. Dazu gehen wir vorerst eine Generation zurück – zu meinem Grossvater Friedrich Schmutz. Er wirkte als Evangelist beim heutigen Evangelischen Gemeinschaftswerk (EGW). Dank seinem Beispiel trug mein Vater zeitlebens das evangelistische Anliegen in sich, die gute Botschaft der Bibel allen Menschen bekannt zu machen. 

Als Grossvater Friedrich an den Folgen eines Velo-Unfalls nach einem evangelistischen Einsatz starb, blieb meine Grossmutter Hanna Schmutz-Bähler schwanger mit ihrem 9. Kind zurück. Mein Vater übernahm als Ältester die Rolle als Ersatzvater und half mit, als Briefträger Geld für die grosse Familie zu verdienen. Dieser Einschnitt begründete wohl seine Rolle als Pionier, der vorausgeht und bereit ist, neue Wege zu beschreiten. Meine Grossmutter betrieb eine Papeterie. Mein Vater half in seiner Freizeit mit und entwickelte so einen Sinn für das Geschäften und die Administration.

Mein Vater führte die Tradition der Familie im Bäckereigewerbe nicht weiter, sondern wurde wie erwähnt Briefträger, und er blieb dies während 17 Jahren. Beim Zustellen von guten und schlechten Nachrichten entwickelte er einen Sinn für Einzelschicksale und die Dorfgemeinschaft. Meine Mutter lernte er anlässlich eines Sprachaufenthalts in der Heilsarmee Genf kennen. Sie hatte schon früh Vater und Mutter verloren und war als Waisenkind bei ihrer ledigen Tante in St.Gallen aufgewachsen. Dem Ehepaar wurden meine beiden Schwestern geschenkt. Drei Monate vor meiner Geburt als jüngstes Kind wurde mein Vater 1953 von der «Gemeinde für Urchristentum» (GfU) – heute «Bewegung plus» – zum Prediger berufen. Das löste in der Verwandtschaft meines Vaters eine grosse Irritation aus. War die neu entstandene GfU nicht eine Sekte? Wie konnte ein Prediger mit einem unsicheren Lohn eine junge Familie ernähren? Mein Vater blieb dieser neuen Berufung treu, 30 Jahre lang bis zu seiner Pensionierung. Das zeigte seine Bereitschaft, Risiken einzugehen, Neues auszuprobieren und auch seine Beharrlichkeit, sicher aber war es Ausdruck seines (toll)kühnen Gottvertrauens.

Im Verlaufe der Zeit diente mein Vater der GfU zusätzlich als Sekretär. Er schrieb viele Protokolle (auf «Schnapsmatritzen»), gab GfU-Zeitschriften heraus, gründete einen Verlag und publizierte Schriften mit theologisch und seelsorgerlich umstrittenen Themen. Darin zeigte sich seine Liebe für die schriftliche Kommunikation und die Bereitschaft, auch umstrittene Themen anzugehen.

Mein Vater vernetzte immer wieder Menschen und Bereiche, die scheinbar nicht zusammenpassten. So etwa «weltliche» Filme und das Anliegen der Evangelisation. Er gründete die «Aktionsgemeinschaft für den Guten Film» (AGF) und zeigte in Restaurants und als Open Air-Veranstaltung im Quartier wertvolle Filme mit einer (vor)evangelistischen Botschaft. Damals für fromme Kreise eine Provokation. Heute werden laut einer US-Studie Glaubensfilme für die Evangelisation von 81% der US-Protestanten als wirksames Mittel eingeschätzt3. Später wurde die Pionierarbeit meines Vaters von «Film plus», dem späteren Billy Graham-Filmdienst weitergeführt.

Mein Vater überlegte sich immer wieder neu, wie die Grundanliegen der biblischen Botschaft in heutiger Zeit gelebt werden können. So beschäftigte ihn auch der Vers aus Galater 6,10: «Solange wir noch Zeit haben, wollen wir allen Menschen Gutes tun, besonders denen, die mit uns durch den Glauben verbunden sind.» Müsste das nicht u.a. zu einer grösseren Solidarität mit und unter christlichen Geschäftsleuten führen? Das würde doch heissen, dass Christen bewusst bei Christen einkaufen. Um dies zu fördern, stellte er 1984 eine Liste mit ihm bekannten christlichen Geschäftsleuten zusammen – vorerst auf einem einzigen A4-Blatt! Ziel war es aber, ein Verzeichnis für die ganze Schweiz zusammenzustellen. Diese Aufgabe packte dann der Nachfolger meines Vaters an: Bruno Jordi von der Druckerei Jordi AG in Belp, der die CGS über 24 Jahre lang präsidierte.

Als mein Vater zusammen mit meiner Mutter in seiner dritten Lebensphase in eine Eigentumswohnung mit dem Angebot «Wohnen mit Dienstleistungen» umzog, schrieb er, kaum angekommen, einen Brief an alle Quartierbewohner. Dies unter dem Titel: «Wo sind die Mitchristen in unserem Wohnquartier»? Ihm war auch die Vernetzung unmittelbar vor Ort wichtig, das Christsein im Quartier.

In der vierten Lebensphase – dem fragilen Alter – überzeugte ich meine Eltern, zu uns nach Oberdiessbach ins Alterszentrum umzuziehen. Bei meinen häufigen Kontakten staunte ich, wie oft meine Eltern Besuch erhielten. Das Netzwerk blieb auch noch im hohen Alter tragfähig.

 

Was ich gelernt habe

Beim Vorbereiten meines Kurzreferates für das CGS-Jubiläum wurde mir bewusst, wie viel ich von meinem Vater gelernt hatte. Das wirkte sich aus in meiner Tätigkeit als Primar- und Sekundarlehrer, in den 27 Jahren als Angestellter und zeitweise Co-Leiter der Vereinigten Bibelgruppen (VBG), im Institut INSIST und bis heute als Geschäftsleiter der «insist consulting gmbh». Ein Ausdruck davon ist auch das Internetportal «Forum Integriertes Christsein», das Sie gerade lesen. Hier werden Fachleute dazu herausgefordert, ihr Fachgebiet mit dem Glauben zu verbinden und an einem Beispiel zu zeigen, wie dieses integrierte Christsein konkret aussehen könnte.

Im Verlauf der Jahre ist mir beim erwähnten Schlüsselvers aus Galater 6,10 die Passage «wollen wir allen Menschen Gutes tun» immer wichtiger geworden. Das heisst doch nichts anderes, als dass wir als Christen unsere Werte auch vor Ort umsetzen sollen – in unseren Dörfern, Regionen und Stadtquartieren. Dabei spielen wiederum auch Geschäftsleute und ihre Firmen bzw. ihr Gewerbe eine wichtige Rolle. Im kürzlich erschienenen Buch über die werteorientierte Ortsentwicklung4 habe ich das, was ich in den letzten 30 Jahren darüber gelernt habe, in sieben Strategien und mit über 30 Beispielen aus der Schweiz und aus Österreich beschrieben. Und damit das, was mein Vater angedacht hat, mit andern zusammen weiterentwickelt.

 

Darf es ein bisschen mehr sein?

Zurück zu den christlichen Geschäftsleuten, die sich im CGS-Netzwerk zusammengefunden haben. Anlässlich der 40-Jahr-Feier habe ich mir überlegt, wie die bisherige erfolgreiche CGS-Strategie weiterentwickelt werden könnte.

Darf ich es offen sagen? Als Konsument und CGS-Mitglied erwarte ich von christlichen Geschäftsleuten, dass sie sich nicht nur gegenseitig unterstützen, sondern mit ihrem Geschäftsgebaren auch zeigen, wie christliche Werte im wirtschaftlichen Handeln umgesetzt werden können. 

Zum Beispiel, indem sie sich, wie am kürzlichen Forum christlicher Führungskräfte in Winterthur thematisiert wurde5, für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden einsetzen oder – wie dies die Stiftung Wendepunkt6 vormacht – Arbeitsplätze für Menschen mit Einschränkungen schaffen bzw. diese sogar in den ersten Arbeitsmarkt führen. Oder indem sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit entsprechenden Arbeitsbedingungen unterstützen und Müttern den Wiedereinstieg in den Beruf ermöglichen, auch nach einer längeren Babypause. Oder indem sie ihre Lieferketten bis zurück zum Beginn sozial und ökologisch verträglich gestalten und nachhaltige Produkte herstellen. Und schliesslich indem sie werteorientierte Entwicklungen vor Ort fördern und ihren Gewinn nicht nur in die eigene Firma investieren, sondern damit auch ethisch wertvolle Projekte fördern. So, wie dies ein holländischer, christlich orientierter Millionär mit seinen Investitionen in «Green Care»7 zur Förderung einer biologischen Landwirtschaft mit therapeutischen Arbeitsplätzen getan hat8.

Ob diese Art eines integrierten Christseins in der Wirtschaftswelt im Rahmen der CGS mit einem C-Label unterstützt werden sollte, sei dahingestellt. Sicher braucht es dazu aber gute Beispiele, entsprechende Weiterbildungen und das passende Coaching. Somit könnte für die christlichen Geschäftsleute Schweiz das Motto für die nächsten 10 Jahre heissen: «Ich kann dank Gott Gutes tun und rede bei Gelegenheit darüber.»

 

1 https://www.cgs-net.ch

2 aus dem Editorial des neusten Mitgliederverzeichnisses

3 idea Magazin 36.2024, Seite 23

4 https://www.dorfentwicklung.ch/gemeindebarometer-1.html

5 https://www.christliches-forum.ch

6 https://www.wende.ch

7 https://www.agridea.ch/fileadmin/AGRIDEA/Presse_et_communication/Communiques/Medieneinladung_Green_Care_Schweiz_Gruendung_220922.pdf

8 ein Beispiel dazu findet sich in Oberdiessbach: www.haslifeld.ch

 

Bücherrundschau

Immer wieder veröffentlichen Autorinnen und Autoren des Forums für die Allgemeinheit gedachte Publikationen. Ich erlaube mir deshalb in Zukunft, hie und da auf einige davon hinzuweisen.

 

Hope Bibel

Dr. med. Ruedi Brodbeck, unser Kolumnist im Bereich «Gesundheit», besitzt ein Diplom für Biblische Theologie und Pastoralarbeit. Er hat bei der Entwicklung der neuen «Hope Bibel» mitgeholfen. Diese will eine reichhaltige Quelle für Gesundheitsfachkräfte, Seelsorger und andere Menschen sein, die ihre Mitmenschen unterstützen wollen. Sie wurde auf feinem Papier in gut lesbarer Schrift in der Neues Leben-Übersetzung gedruckt und wurde mit erklärenden Fussnoten, mit Lehrpunkten und einer thematischen Gebetsübersicht ergänzt. Im Anhang werden zudem Hoffnungsressourcen thematisiert. Bei «Gesund leben» geht es u.a. um natürliche Krebsabwehr, Ernährung und ganzheitliche Gesundheit, Hoffnung bei Diabetes sowie Rezepte für einen umfassenden Frieden im Sinne von Shalom. Insgesamt eine gelungene Kombination aus Bibel und Kommentar, u.a. mit den für die Adventisten typischen Schwerpunkten im Bereich Gesundheit und Ernährung – verbunden mit dem für unsere Zeit so wichtigen Anliegen der Hoffnung.

«Hope Bibel» Neues Leben. Krattigen, 1. Auflage, 2024, Advent-Verlag Schweiz. Flexibler Kunstleder-Einband, 1384 Seiten, CHF 39.90, ISBN 978-3-906309-71-2       

 

Ohne Himmel sind wir unbedacht

Beat Rink, unser Autor im Bereich «Musik», hat Germanistik, Geschichte und Theologie studiert. Als Frucht dieser Kombination ist kürzlich das Büchlein «Ohne Himmel sind wir unbedacht» erschienen. Hier finden sich auf rund 60 Seiten tiefgründige Aphorismen – Sinnsprüche, die eine Lebensweisheit ausdrücken. Zum Beispiel so: «Zeitlebens hat er dem Ewigen geflucht. Wie soll er nun das Zeitliche segnen?» Quasi eine zeitgenössische Fortsetzung des biblischen Buches der «Sprüche». Ein nachhaltiges Geschenk!

Rink, Beat. «Ohne Himmel sind wir unbedacht. Aphorismen.» Basel, 2024, Fontis-Verlag. Gebunden, 79 Seiten, CHF 19.90, ISBN 978-3-03848-289-5

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