Glaubwürdigkeit ist die wichtigste Währung für einen Journalisten. Und die erarbeitet man sich in der Regel durch gründliche Recherche, sachliche Berichterstattung und objektive Darstellung. Dazu gehören auch Unbefangenheit und Unabhängigkeit. Im Berufskodex tönt das zum Beispiel so: «Sie (Journalisten) nehmen weder Vorteile noch Versprechungen an, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äusserung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken.» Oder: «Sie vermeiden in ihrer beruflichen Tätigkeit als Journalistinnen und Journalisten jede Form von kommerzieller Werbung und akzeptieren keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserentinnen und Inserenten.»
Journalistische Zurückhaltung
So weit, so klar. Und doch ist die Grenze zwischen persönlichem Anliegen und objektiver Berichterstattung immer wieder eine Gratwanderung. Journalisten sind schliesslich auch Menschen. Sie haben politische Präferenzen, reagieren auf das Gegenüber, möchten die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen mitgestalten. Und so landen nicht wenige früher oder später selbst in einem politischen Amt. Um glaubwürdig auf beiden Hochzeiten tanzen zu können, hat der Presserat schon vor Jahrzehnten die Devise herausgegeben: «Bekleiden Journalistinnen und Journalisten aus Gründen der schweizerischen Eigenheiten/Realitäten dennoch ein politisches Amt, sollen sie bestimmte Regeln einhalten: Öffentlich machen ihres Amtes, Ausstand bei «grosser Nähe», ausführliche Kennzeichnung ihrer Beiträge.» Sie lässt aber keinen Zweifel daran, dass es besser wäre, eine strikte Trennung zwischen politischem Amt und journalistischer Tätigkeit walten zu lassen.
Ich bin in meiner bisherigen Laufbahn zum Schluss gekommen, dass ich keiner Partei beitreten werde, solange ich den journalistischen Beruf ausübe. Das habe ich bisher nicht bereut. Mancher Gesprächspartner wäre mir wohl nicht so unbeschwert begegnet oder hätte inhaltlich so offenherzig ausgepackt, wenn er gewusst hätte, wo ich mich politisch engagieren würde.
Unterschiedliche Auffassungen – gemeinsame Werte
Warum ich heute dennoch Position beziehe, ja gar eine Wahlempfehlung ausspreche, hat einen triftigen Grund. Als Christ ist es mir wichtig, dass christliche Wertehaltungen auch nach den Wahlen in Bundesbern zum Tragen kommen. Auch wenn ich weiss, dass man als Christ in der Sachpolitik zu unterschiedlichen Auffassungen kommen kann. Mir genügt es aber nicht, dass einfach nur die Werte des christlichen Abendlandes betont oder das Erbe unserer Väter (und Mütter) heraufbeschwört werden. Auch idealisierte Symbolpolitik ist mir zu wenig. Ich halte es für notwendig, dass sich eine Parlamentarierin oder ein Parlamentarier von Gottes Geist inspirieren lassen und die Entscheidungen oder auch den Umgang mit Andersdenkenden im Parlament von ihm prägen lassen möchten.
Die vielbeschworenen christlichen Werte oder das christliche Menschenbild werden gerade vor Wahlen gerne inflationär in den Mund genommen. Aber ganz ehrlich, umsetzen können sie nur jene, die nach ihnen streben und ihre Kraftquelle aus der Beziehung mit Gott schöpfen. Das heisst nicht, dass gläubige Politiker bessere Menschen sind. Aber ihre Motivation hat einen anderen Antreiber als nur den, die Welt ein bisschen besser oder meinetwegen auch christlicher machen zu wollen. Sie nehmen ihre Aufgabe in der Verantwortung vor Gott wahr – dessen Name nach wie vor die Bundesverfassung einleitet – und lassen sich von ihm in ihrem Dienst an der Bevölkerung leiten.
Christ und Politik
Unter den Dutzenden parlamentarischer Gruppen gibt es auch jene mit dem Titel «Christ und Politik». Gegenwärtig gehören fünfzehn Nationalrätinnen und ein Ständerat dieser Gruppe an, also ein recht übersichtliches Häufchen. Drei von ihnen treten nicht mehr zu den Wahlen an. Es sieht auf den ersten Blick nicht danach aus, dass die entstehenden Lücken geschlossen werden können.
Natürlich muss man nicht Mitglied dieser Gruppe sein, um eine christliche Politik voranzutreiben, aber ein Bekenntnis ist die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe schon. Wer sich politisch engagiert, muss Gegenwind einkalkulieren. Wer sich auch noch als Christ outet, geht ein zusätzliches Risiko ein. Es ist diesen Frauen und Männer hoch anzurechnen, dass sie sich trotzdem engagieren und exponieren.
Im Hinblick auf den 22. Oktober wünsche ich mir, dass bekennende Christinnen und Christen im Parlament Platz nehmen. Dabei haben wir Wählerinnen und Wähler es ein Stück weit in der Hand, ob dies gelingt oder nicht. Wenn wir die christlichen Werte in der Politik stärken möchten, müssen wir auch gläubige Politikerinnen und Politiker nach Bern schicken. Verschiedene Religionsexperten sind sich einig, dass rund 250'000 Menschen in der Schweiz einer Freikirche angehören oder zumindest Sympathien für deren geistliche Ausrichtung haben. «Trotz Säkularisierung sind sie eine Macht» schrieb die Neue Zürcher Zeitung diesen Frühling. Es bleibt zu hoffen, dass sich dies auch an der Urne bemerkbar macht.
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