Praxis: Du bist ein Gott, der mich sieht 

In der Jahreslosung 2023 begegnet Gott durch seinen Engel einer geflüchteten Frau. Er verleiht ihr – und damit auch uns – Ansehen. Der Blick unseres Schöpfers erinnert uns daran, dass wir in seinen Augen teuer und wertvoll sind und wird so zu einer Ermutigung, uns selber neu zu sehen.

(Lesezeit: 6 Minuten)

(Bild: Engin Akyurt auf Pixabay)

Der Exerzitienbegleiter Paul Weismantel hat diesen Zusammenhang in der Form eines Gedichtes beschrieben.

 

Du bist mein Gott,

der nach mir fragt,

der nach mir schaut,

der mir vertraut.

 

Du bist mein Gott,

der um mich weiss,

der mit mir geht,

der zu mir steht.

 

Du bist mein Gott,

der zu mir spricht,

der mit mir schweigt,

der sich mir zeigt.

 

Du bist mein Gott,

der mich beschenkt,

der an mich denkt,

der meine Wege lenkt.

 

Du bist mein Gott,

auf den ich schau,

auf den ich bau,

dem ich vertrau.

 

Die Geschichte von Hagar

Abrams Frau Sarai war kinderlos geblieben1.

Sie hatte eine ägyptische Sklavin namens Hagar und sagte eines Tages zu Abram: «Der Herr hat mir Kinder versagt, aber du könntest mit meiner Sklavin schlafen. Vielleicht kann ich durch sie zu einem Sohn kommen.»

Abram hörte auf seine Frau. So gab Sarai ihm ihre ägyptische Sklavin zur Nebenfrau. Abram und seine Familie lebten damals schon zehn Jahre im Land Kanaan. Abram schlief mit Hagar, und sie wurde schwanger.

Als sie wusste, dass sie ein Kind erwartete, sah sie auf ihre Herrin herab. Da beklagte sich Sarai bei Abram: «Mir geschieht Unrecht, und du lässt es einfach zu! Ich habe sie dir zur Frau gegeben, aber jetzt, wo sie weiss, dass sie schwanger ist, verachtet sie mich. Daran bist du schuld! Der Herr soll entscheiden, ob du im Recht bist oder ich.» – «Sie ist doch deine Sklavin und gehört dir sowieso», gab Abram zur Antwort, «du kannst mit ihr machen, was du willst.»

Von da an fügte Sarai ihrer Sklavin so viele Demütigungen zu, dass Hagar schliesslich davonlief.

Der Engel des Herrn fand sie in der Wüste bei dem Brunnen, der am Weg nach Schur liegt. Er fragte sie: «Hagar, Sarais Sklavin, wo kommst du her und wohin bist du unterwegs?» Sie antwortete: «Ich bin auf der Flucht vor meiner Herrin Sarai.»

Da sagte der Engel des Herrn zu ihr: «Kehre zu deiner Herrin zurück und ordne dich ihr unter!» Er versprach ihr: «Ich will deine Nachkommen so zahlreich machen, dass niemand sie zählen kann. Du bist schwanger und wirst einen Sohn bekommen», fuhr er fort. «Nenne ihn Ismael 'Gott hört', denn der Herr hat dich gehört, als du über dein Elend geklagt hast. Dein Sohn wird ungestüm sein wie ein Wildesel. Er wird mit allen im Streit liegen und von allen bekämpft werden. Selbst seinen Brüdern wird er sich entgegenstellen.»

Da nannte Hagar den Herrn, der mit ihr geredet hatte: «Du bist der 'Gott, der mich sieht'; denn», sagte sie, «hier konnte ich einen Blick auf den erhaschen, der mich sieht.» Darum nennt man den Brunnen seither «Brunnen des Lebendigen, der mich sieht». Er liegt zwischen Kadesch und Bered.

Hagar kehrte zurück. Sie brachte Abrams Sohn zur Welt, und Abram gab ihm den Namen Ismael. Abram war 86 Jahre alt, als Hagar ihm Ismael gebar.

 

Dass Gott mich ansieht, verleiht mir Ansehen

Hagar ist ihrer Herrin Sarai, die sie aus Neid und Eifersucht hart behandelt hat, davongelaufen.

In der Wüste rastete Hagar bei dem Brunnen, der am Weg nach Schur liegt. Da kam der Engel des Herrn zu ihr und fragte sie: «Hagar, Sklavin Sarais! Woher kommst du? Wohin gehst du?»

  • Woher komme ich?
  • Leide ich unter Neid, Eifersucht einer anderen Person?
  • Werde ich von jemand «hart» behandelt?
  • Fühle ich mich von etwas oder jemandem «versklavt»?
  • Wo, was in meinem Leben scheint mir auswegslos?
  • Wo bin ich resigniert, hoffnungslos, müde, enttäuscht?
  • Wohin muss ich wieder zurück?

 

Eine verzweifelte Frau begegnet Gott ...

In ihrer ausweglosen Lage wird Hagar eine Gottesbegegnung geschenkt.

«Ich bin meiner Herrin davongelaufen» antwortete sie2. Da sagte der Engel: «Geh zu deiner Herrin zurück und ordne dich ihr unter! ... Du wirst einen Sohn bekommen und ihn Ismael (Gott hat gehört) nennen; denn der Herr hat deinen Hilferuf gehört. ...»

Hagar rief: «Habe ich wirklich den gesehen, der mich anschaut?» und sie gab dem Herrn, der mit ihr gesprochen hatte, den Namen «Du bist der Gott, der mich anschaut.»  

 

... und wird ermutigt

Hagar lässt sich auf diesen Gott ein und wird von ihm zurückgeschickt und ermutigt

  • durch eine Verheissung und
  • mit neuem «Ansehen».

Hagar hat Gott erfahren als den Gott, «der sie anschaut» (El-Roi). Diese Erfahrung gibt ihr Kraft und neuen Lebensmut.

 

Was ist mit mir?

  • Wo wünsche ich mir, dass Gott mich ansieht?
  • Wo und wie habe ich schon erlebt, dass Gott mich angesehen und mir neues An-sehen verliehen hat?
  • Wofür erhoffe ich mir eine Verheissung?

 

Du bist teuer in meinen Augen und wertvoll3

Ich lasse diese Worte aus Jesaja 43,5 auf mich wirken und wiederhole sie so lange, bis ich sie «par coeur» kenne.

 

Dass Gott mich ansieht, verleiht mir Ansehen

 

Jesus Christus4,

Du schaust mich an – so wie ich bin:

voll Liebe

mit viel Verständnis

ohne Verurteilung.

 

Du nimmst mich an – so wie ich bin:

mit meinen Gaben

mit meinen Grenzen

mit meinen guten Seiten

mit meinen schlechten Neigungen.

 

Du sagst Ja zu mir – so wie ich bin:

mit meiner Lebensgeschichte

mit allem, was gelungen ist

mit allem, was misslungen ist.

 

Darum kann auch ich mich anschauen.

Darum kann auch ich mich annehmen.

Darum kann auch ich ja zu mir sagen.

 

Hilf mir,

die Realität meines Lebens

zu akzeptieren

und mich dem Wirken

Deiner verwandelnden Kraft

zu öffnen.

Amen.

 

1  1. Mose 16,1-15 (Neue Genferübersetzung)

2  aus 1. Mose 16,7-15 (Gute Nachricht)

3  Jesaja 43,5 (alte Zürcher Übersetzung)

4  Leo Tanner / Ruth Maria Michel

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