Die Designerin Sabine Reibeholz hat 2020 beim Wettbewerb von «arsLITURGICA» mit ihrer begehbaren Installation «Fürchtet euch nicht» den ersten Preis gewonnen1. Sie hat dabei versucht, in der Propsteikirche St. Augustinus in Gelsenkirchen eine Krippe zeitgenössisch zu interpretieren. Für sie ist der Kirchenraum «ein Ort der Kontemplation und Konzentration»2 mit vielen Interpretationsmöglichkeiten. «Es mache ihr Spass, sich mit den verschiedenen Facetten des Raumes, aber auch der Kirche als Institution auseinanderzusetzen», sagt sie.
Sie hat zusammen mit Marc von Reth das Institut für Inszenierung gegründet. Zusammen wollen sie Installationen entwickeln, «die sowohl als Kunstwerke wie auch als liturgische Räume Wirkung entfalten». Bei ihrer Arbeit ist ihnen «der Inhalt sehr wichtig». Die Botschaft des Christentums ist aus ihrer Sicht eine «sehr starke» Botschaft. Mit ihren Installationen will sie «den Menschen wieder einen Zugang zu den biblischen Geschichten ... geben». Dies alles aber «ohne missionarisch zu sein». Ein eigenartiger Widerspruch.
Was heisst eigentlich Mission?
Das Wort «missionarisch» hat in der Öffentlichkeit tatsächlich einen negativen Unterton. Deshalb wohl die Distanzierung von einem aufdringlichen Weitergeben der christlichen Botschaft. Mit ihrer Installation zeigt die Künstlerin aber, dass es auch anders geht. Allerdings ist sie genau damit missionarisch. Kritiker mögen sagen, sie missioniere auf eine raffinierte Art. Aus meiner Sicht macht sie es schlicht gekonnt. Wir brauchen mehr Christinnen und Christen, die auf eine gute Art missionarisch unterwegs sind. Und dafür muss man nicht Künstlerin oder Künstler sein.
Die Distanzierung vom Begriff «Mission» ist ein Missverständnis. Mission meint unter anderem Berufung, Bestimmung, Sendung3. Sobald wir beginnen, andere Menschen zu beeinflussen, sind wir missionarisch tätig. Das tun wir als Eltern mit unsern Kindern, als Berufstätige in der Verfolgung unserer beruflichen Ziele, im Verein bei der Förderung der Vereinsziele und als Influencer über die sozialen Medien. Vielleicht können wir dabei sogar viel Geld verdienen. Die Frage ist nur: Was ist das Ziel dieser Mission, welche Früchte entstehen daraus? Lohnt es sich, das Leben oder zumindest einen Teil der Zeit dafür einzusetzen? Wir sollten mehr über unsern missionarischen Lebensstil nachdenken!
Sicher gibt es aber auch die anderen Menschen. Sie kennen weder ihre Berufung noch ihre Bestimmung oder gar ihre Sendung. Sie sind mehr oder weniger planlos unterwegs, reagieren auf das, was ihnen andere vorsetzen, bleiben gleichgültig oder ziehen sich gar zurück.
Nur: Auch diese Art von Lebensführung hat eine Botschaft – eine Mission. Auch sie ist missionarisch. Es ist eine Botschaft der Unsicherheit, der Gleichgültigkeit und der Verweigerung. Und auch das ist ansteckend!
Wie Christen ihre Mission finden
Christinnen und Christen haben es auch auf diesem Gebiet besser. Sie setzen sich beim Finden ihrer Mission immer wieder mit dem dreieinen Gott auseinander. Sie haben irgendwann gemerkt, dass sie nicht ein Produkt des Zufalls sind, sondern geschaffen von jemandem, der sie gewollt hat und liebt. Sie haben mit Jesus Christus den Sohn dieses Gottes und gleichzeitig den wahren Menschen vor Augen – als Inspiration auf dem Weg zu mehr Wahrheit und mehr Leben bis hin zum ewigen Leben. Und sie lernen auf diesem Weg den Heiligen Geist kennen, der ihnen hilft, in ihrem alltäglichen Leben sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Dabei werden sie hineingestellt in eine grössere Gemeinschaft, sie werden Teil der Kirche vor Ort. Sobald sie sich mit diesen von Gott herausgerufenen Menschen vernetzen, bekommt ihre Botschaft eine grössere Breitenwirkung.
Die Künstlerin Mariia Loniuk lebt in der Nähe von Kiew. Mit ihrem berührenden Bild über den Angriff auf Dnipro am 14. Januar 2023 hat sie über die Ukraine hinaus Bekanntheit erlangt4. Ich weiss nicht, ob sie Christin ist. Sie aber weiss, dass sie eine Botschaft hat: «Ich möchte den Menschen etwas über das Leben der ukrainischen Bevölkerung erzählen ... Mit meinen Bildern möchte ich zeigen, wie sich die Menschen hier fühlen, welche Emotionen sie durchleben5.» Mariia Loniuk kann ihre Mission nicht von ihrer Person trennen: «Ich höre oft, Kunst und Politik hätten nichts miteinander zu tun, aber das stimmt nicht. Denn in der Kunst geht es immer um den Künstler oder die Künstlerin. Und jetzt bin ich eine Künstlerin in einem Land, in dem Krieg herrscht ... Ich will meine Bilder nicht von der Realität trennen, die in diesem Land herrscht.»
Genau so sollten auch Christinnen und Christen ihre Mission nicht von ihrer Person treffen. Die meisten von uns malen zwar keine Bilder, aber sie geben Tag für Tag ein Bild von sich selber ab. Sie sind selber die Botschaft. Je mehr Christus ihr Leben prägen kann, desto mehr werden Menschen in ihrem Umfeld merken, wer dieser Christus ist. Und wenn das Reich Gottes tatsächlich in alle Bereiche unserer Gesellschaft hineinreicht, sollten wir unsern Glauben nicht von der gesellschaftlichen Realität trennen, sei es in der Familie, in unserer Freizeit, im Beruf oder in unserm gesellschaftlichen Engagement.
Nicht weniger, sondern besser missionieren
Das Weitergeben der christlichen Botschaft durch Wort und Tat unterliegt dabei den Regeln der Kommunikation: Eine Botschaft wird nur dann verstanden, wenn sie in die Sprache übersetzt wird, die das Gegenüber versteht, wenn sie dort anknüpft, wo mein Gegenüber lebt: bei seinen Zweifeln, Vorurteilen, seiner Gleichgültigkeit und seinen Erfahrungen – auch im Bezug zum christlichen Glauben. Dafür braucht es nicht zwingend eine künstlerische Installation, es genügt eine liebevolle Beziehung zu einem Menschen, der (noch) mit einer anderen Mission unterwegs ist. Alles andere wird Christus tun, der in uns lebt, – wenn wir uns nicht dagegen wehren.
2 Zeitschrift BART, Winterthur, Verein BART Magazin, Herbst 2022, S. 5-7
3 Quelle: https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=Mission
4 https://www.bernerzeitung.ch/ukraine-krieg-russland-ticker-wichtigste-news-live-52-833065232513
5 «Der Bund» vom 27. Januar 2023, S. 2
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