Der durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Preisschock und noch mehr die erschütterte Verlässlichkeit von internationalen Vereinbarungen haben bei Politik und Bevölkerung klar werden lassen, dass in Sachen Energieversorgung neue Zeiten anstehen – und zwar plötzlich!
Das eidgenössische Parlament hat innert Kürze Entscheidungen getroffen, die einer Energiewende die Tore öffnen sollten. Was auf den ersten Blick erfreulich aussieht und uns mit Hoffnung erfüllen könnte, lässt uns beim genauen Hinsehen mit Zweifel und erschüttertem Vertrauen zurück.
Umsetzungen im Zeichen der Macht
Schon die parlamentarischen Beratungen waren ein zähes Ringen. Die Auseinandersetzungen um die Umsetzung möglicher Projekte ist nun aber endgültig von einem unrühmlichen Machtpoker geprägt. Die privaten Hausbesitzer und die Immobilienentwickler stehlen sich aus der Verantwortung, die sie als mächtigster Hort des Volksvermögens eigentlich hätten und schieben geplante Projekte in die entlegendsten Ecken des Hochgebirges. Dagegen wehren sich dann wieder die Umwelt- und Naturschützer. Mit dieser Taktik kann man den jeweils anderen die Schuld am Scheitern zuweisen. Diese Kakofonie wird lauthals unterstützt von Kreisen, die ohnehin Lösungen verhindern oder mindestens auf die lange Bank schieben wollen.
Das ist ein verstörendes Bild für den Beobachter. Dazu kommt: Jede leiseste Entspannung an der Preisfront lässt die allgemeine Handlungsmotivation sofort dahinschwinden wie Schnee unter der zu warmen Frühlingssonne.
Was können wir sofort tun?
Sinnvoll sind vor allem Primärenergie-Ressourcen, die wir ohne Abhängigkeit vom Ausland nutzen können, nämlich Wasserkraft, Holzenergie, Photovoltaik, Windenergie, Solar- und Geothermie.
Wasserkraft und Holzenergie werden heute schon intensiv genutzt. Eine noch breitere Nutzung ist naturgegeben eingeschränkt und nur noch punktuell möglich. Hier liegt das Steigerungspotenzial primär in der Effizienzverbesserung bestehender Anlagen. Quantitativ dürfte dies einen erheblichen Nutzen bringen. Restwasser-Regelungen und Staumauer-Erhöhungen stehen dabei im Brennpunkt der Diskussionen. Umwelt- und Naturschutz schränken allerdings den Spielraum ein. Die technische Optimierung bestehender Anlagen ist dagegen unangefochten.
Photovoltaik und Windenergie
Photovoltaik und Windenergie werden noch verhältnismässig wenig genutzt. Die neulich vorgeschlagenen Grossprojekte rufen überall sofort Widerstand hervor. Die vielfältigen Argumentationen müssen sorgfältig geprüft und abgewogen werden, die Projekte sollten entsprechend angepasst umgesetzt werden. Es handelt sich dabei um neuartige flächige Infrastrukturen, die von weither einsehbar und darum heftig umstritten sind. Sie haben aber den Vorteil, dass sie eine Zweitnutzung des Areals erlauben, was bei Strassen oder Siedlungen nicht der Fall ist. Zudem können sie bei veränderten Verhältnissen leicht angepasst oder gar rückgebaut werden. Meines Erachtens ist der Widerstand primär dem Neuen und Ungewohnten gezollt. Die meisten Argumente halten dem Vergleich zu anderen bestehenden Einwirkungen nicht stand. Man denke nur schon an die weit herum sichtbaren Dampffahnen der AKWs oder den Verkehrslärm.
In einigen Kantonen wird wie etwa im Kanton Zürich neu vorgeschrieben, dass Neubauten mit Photovoltaik ausgerüstet werden müssen. Es ist für mich unverständlich, warum sich dies nicht auch auf eidgenössischer Ebene durchsetzen lässt. Zudem müsste dieses Vorgehen mit einer angemessenen Übergangsfrist auch für bestehende Bauten gelten. Die Zeit der Freiwilligkeit ist in dieser Sache abgelaufen.
Das PV-Potenzial des schweizerischen Gebäudeparks ist wohlbekannt: einige Kantone sowie Swissolar für die ganze Schweiz geben mit öffentlich zugänglichen Daten Informationen zu jedem Gebäude. Jedes Gebäude1 hat ja bereits einen Stromanschluss, die Zusatz-Investitionen für eine Solaranlage auf einem Neubau sind verhältnismässig unbedeutend. Der immer wieder geltend gemachte wirtschaftlich negative Skalierungseffekt – je kleiner desto unrentabler – ist eine Ausrede: Er wird durch die vielen anderen Vorteile mehr als wettgemacht. Dazu kann man nur sagen: auch Kleinvieh gibt viel Mist.
Solar- und Geothermie
Solarthermie ist für die Warmwasser-Aufbereitung und auch für die Heizunterstützung sehr effizient und günstig. Einmal installiert, ergibt sich ein grosses Energiesparpotenzial. Sie ist bei privaten Einfamilienhäusern oder Wohnblöcken wie auch in öffentlichen Bauten wie Heimen oder Schwimmbadanlagen weit verbreitet. Allerdings wäre das Ausbaupotenzial noch sehr gross. Vermutlich könnte eine breite Informations- und Motivationskampagne einiges auslösen; leider wird in dieser Richtung viel zu wenig unternommen.
Die Geothermie wird mittels Erdsondenbohrungen bis 300 Meter Tiefe häufig genutzt. Erd-Wärme-Kraftwerke mit Tiefenbohrungen von mehreren tausend Metern hätten ein sehr grosses Potenzial. Leider scheint die Umsetzung noch mit technischen Schwierigkeiten verbunden zu sein, verschiedene Projektversuche mussten abgebrochen werden. Die Sicherheitsbedenken der betroffenen Bevölkerung und der Politik konnten bislang nicht genügend widerlegt werden.
Wärmepumpen
Mittels Wärmepumpen kann Energie aus der Umgebungsluft, aus dem Wasser, aus der Erde oder aus der Abwärme von technischen Prozessen genutzt werden. Der Betrieb dieser Pumpen benötigt allerdings immer einen mehr oder weniger grossen Anteil elektrischer Energie. Um dieses System tatsächlich als erneuerbar zu bezeichnen, sollte es mit Photovoltaik auf demselben Gebäude ergänzt und so mit Solarstrom betrieben werden. Aus meiner Sicht sollten zukünftig Wärmepumpenanlagen nur zusammen mit angemessen grossen Photovoltaikanlagen bewilligt werden.
Die Kernkraft – ein Abstellgeleis
Unter dem aktuellen Handlungsdruck wird die Kernkraft plötzlich als erneuerbar definiert. Die Problemlösung in der Änderung von Definitionen zu suchen, ist nun doch die Spitze der Absurdität. Zudem führt sie zu neuer unheilvoller Abhängigkeit vom Ausland, von der man sich ja aufgrund der aktuellen Erfahrungen ausdrücklich lösen wollte. Die Verlängerung der Laufzeit von bestehenden Anlagen mag helfen, die momentane Not zu lindern, darf aber nicht Teil einer langfristigen Lösung sein.
Der politische Druck, in diesem Bereich forschen und entwickeln zu können, darf jetzt nicht dazu führen, dass die grossen finanziellen Ressourcen wieder wie früher auf dieses Abstellgeleis gelenkt werden, statt mit aller Kraft die bekannten und bewährten natürlichen Potenziale auszubauen.
Lösungsansätze kombinieren
Das Sparen von Energie sowie der kosten- bzw. verbrauchsbewusste Energie-Einsatz wurde letztes Jahr im Zeichen der Angst vor einer Stromknappheit öffentlich propagiert und gut kommuniziert. Der Erfolg war eher mässig, wohl deshalb, weil der Kosten- und Leidensdruck nicht lange genug dauerte. In Gewerbe und Industrie werden solche Anpassungen wohl längere Zeit in Anspruch nehmen. Ein wichtiger Effekt war immerhin der, dass viele Leute die Stromrechnung bzw. die Verbrauchszahlen genauer anschauten und damit vertrauter wurden mit diesen Kosten.
Die dezentrale Energiegewinnung hat gegenüber der anonymen zentralen an Bedeutung gewonnen. Sie wird weiterhin wichtiger werden. Gute Beispiele wie Walenstadt SG zeigen, dass die Energieversorgung auf kommunaler oder regionaler Ebene erfolgreich und bürgernahe organisiert und umgesetzt werden kann. Diese Bürgernähe führt auch dazu, dass der Umgang mit den Energie-Ressourcen wieder bewusster erlebt wird.
Die Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten ist gross. Es wird wohl auch eine geschickte Kombination all dieser Möglichkeiten brauchen, um ans Ziel zu kommen. Ich bin zuversichtlich: Wenn jeder tut, was er kann und wir den Gemeinnutzen wieder vor den Eigennutzen stellen, wird uns das auch gelingen.
1 www.swissolar.ch/de/angebot/werkzeuge/eignungskarte-sonnendach
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