Dorfentwicklung: Das eigene Dorf neu entdecken – Livenet-Talk mit Hanspeter Schmutz

Hanspeter Schmutz engagiert sich seit 25 Jahren für eine werteorientierte Ortsentwicklung. Er lernte viel dazu von einem Bürgermeister aus Oberösterreich. Nun hat Schmutz seine Erkenntnisse in einem Buch zusammengefasst. Er sprach darüber in einem Videotalk beim Onlineportal «Livenet».

(Lesezeit: 7 Minuten)

«Der Theologe Wolfgang Bittner wusste, dass ich mein Christsein ganzheitlich leben will», erzählt Hanspeter Schmutz. «Er empfahl mir, Steinbach an der Steyr zu besuchen. Dort würden Werte gelebt, welche das Klima im Dorf verändert hätten.» Gesagt – getan. Der Schweizer nahm Kontakt auf zu Karl Sieghartsleitner und wurde schliesslich von ihm drei Tage lang durch sein Dorf geführt.

Dabei stellte sich heraus, dass der Bürgermeister eine persönliche Glaubenserneuerung erlebt hatte. Frucht davon war seine Bereitschaft, sich als Bürgermeister zu engagieren. Nach einer tiefgehenden wirtschaftlichen und sozialen Krise von Steinbach machte er sich nun daran, die Werte, welche ihm wichtig geworden waren, zusammen mit seinen Mitbürgern im 2'000-Seelen-Dorf umzusetzen.

Buch-Cover «Wenn die Bevölkerung das Dorf entdeckt»

Es geht um die Gemeinschaft

«Eine politische Gemeinde ist eine Gemeinschaft, die alle im Blick haben muss, nicht nur Einzelpersonen», hält Hanspeter Schmutz fest. Der zunehmende Individualismus bewirke jedoch oft das Gegenteil. «Christen hören jeden Sonntag in der Kirche, dass sie nicht nur an sich denken sollen. Wenn sie sich ausserhalb dieser Mauern mit 'Menschen guten Willens' zusammentun, kann Transformation passieren.» Das hat Hanspeter Schmutz erlebt – auch in der Schweiz –, und er berichtet gerne davon.

 

Fast alle Arbeitsplätze weg

Das Dorf Steinbach an der Steyr hatte einen Kollaps erlitten, als der grösste Arbeitgeber Konkurs gegangen war. Sehr viele Einwohner verloren damit ihren Arbeitsplatz, und gerade auch junge Leute verliessen die Region. Karl Sieghartsleitner sei damals gebeten worden, das Bürgermeisteramt zu übernehmen. «Das klang wie ein Todesurteil – sein Vorgänger und dessen Stellvertreter waren aus lauter Überforderung im Amt verstorben…», weiss Schmutz. Trotzdem habe der überzeugte Christ nicht kneifen wollen und habe zugesagt.

Sieghartsleitner musste feststellen, dass nur Mitglieder seiner eigenen Partei sich motivieren liessen, einen neuen Gemeinderat zu bilden. Alle anderen suchten das Weite. Doch ihr neuer Bürgermeister rief sie am runden Tisch zusammen, um das politische Gegeneinander zu durchbrechen. Persönlich besuchte er die Menschen im Dorf, sprach alte Konflikte an, lud ein, sie anzugehen und einander zu vergeben. Er setzte die christlichen Werte, die ihn prägten, in seinem Amt um und motivierte die Menschen, sich wieder zusammenzutun und gemeinsam aktiv zu werden.

 

Blumengeschmückte Osterbrunnen

Hanspeter Schmutz nahm diese Anregungen und praktische Beispiele mit in die Schweiz und machte sie in verschiedenen Dörfern bekannt. So unter anderem den Steinbacher Brauch, vor Ostern die Dorfbrunnen mit Blumen zu schmücken. Während den Osterpredigten könne man dann auf diese Symbole des Lebens und der Auferstehung hinweisen, hat Schmutz erfahren. «Hier in Oberdiessbach gibt es etwa 28 Brunnen, deren Quellwasser der Bevölkerung zur Verfügung steht», erzählt der Fachjournalist. Damit traf er in seinem Wohnort auf ideale Voraussetzungen, um den Brauch ebenfalls einzuführen1. Er bat Firmeninhaber, die im Gartenbereich tätig sind, gemeinsam die Brunnen des Orts im Hinblick auf Ostern zu schmücken. «2018 wurden so einige davon wunderbar geschmückt von Leuten, die sonst Konkurrenten sind.» Sie arbeiteten zusammen am gleichen Projekt, machten jedoch auch Werbung für ihr Geschäft. Und sie setzten dabei Werte um, die aufbauend und verbindend wirken.

 

Werteorientierte Ortsentwicklung

«Der Start garantiert nicht, dass etwas ewig hält», weiss Schmutz. Nicht alle Anläufe hätten sich bewährt, Etliches sei wieder eingeschlafen. Doch das Thema der werteorientierten Ortsentwicklung hat ihn gepackt. Seine Erfahrungen in Steinbach hält er in seinem neuen Buch fest. Es zeigt in sieben Strategien das praktische Vorgehen zu einer werteorientierten Gemeindeentwicklung auf.

Schmutz steht dazu: Er sei überzeugter Christ und lebe nach dem Vorbild von Jesus Christus. «Was er zum Reich Gottes gesagt hat, betrifft alle Lebensbereiche», betont der Oberdiessbacher. Als Beispiel erwähnt er irische Mönche, die ihre Heimat verliessen, um das Christentum auf dem Kontinent zu verkünden.

 

Etwas Kirchengeschichte

St. Gallen ist ein Beispiel dafür, wie aus einer Gemeinschaft von Mönchen schliesslich eine politische Gemeinde entstanden ist. Der irische Mönch Gallus hatte sich im Wald niedergelassen, den Menschen gepredigt und ihnen mit seinem medizinischen Wissen gedient. Marktstrukturen entstanden und schliesslich wurde eine Stadt daraus.

«Christen haben nicht nur gepredigt, sondern auch immer eine gemeinschaftsfördernde Wirkung gehabt. Sie haben gelehrt und geheilt, daraus sind Schulen und Spitäler entstanden, Bildung für alle wurde möglich», erinnert Hanspeter Schmutz. Heute müssten sich Christen unter die Menschen mischen und nicht darauf warten, dass diese in die Kirche kommen. «Wir müssen mit diesem Jesus in uns mitten unter den Menschen leben.»

«Die nachchristliche Gesellschaft hat noch gewisse Erinnerungen an die Bedeutung von Weihnachten oder Ostern. Hier kann man anknüpfen», hält Hanspeter Schmutz fest. So wurde in seinem Dorf schon mehrmals die Ostergeschichte als Stationenweg aufgebaut. 

 

Transformation vor Ort

Im Zusammenhang mit der von der politischen Gemeinde gestarteten Ortsentwicklung wurde der Verein «Zäme für Oberdiessbach» gegründet, ein Zusammenschluss von Menschen, die sich für ihr Dorf einsetzen wollen. So lerne man sich kennen, komme über Lebens- und Glaubensfragen ins Gespräch. Aktive aus der Kirche könnten so auch mal zu einem Glaubenskurs einladen. 

«Würden alle Christinnen und Christen dort, wo sie leben, in diesem Sinn wirken, hätten wir eine Transformation der Schweiz», fasst Hanspeter Schmutz seine Hoffnung zusammen.

 

1 TeleBärn zu den diesjährigen Osterbrunnen in Oberdiessbach: https://www.telebaern.tv/telebaern-news/kreative-osterbrunnen-in-oberdiessbach-150915510

Sehen Sie sich den Livenet-Talk mit Hanspeter Schmutz an: https://www.youtube.com/watch?v=EthxWbszkdY

 

Quelle:

Dieser Beitrag wurde uns freundlicherweise vom Onlineportal «Livenet» zur Verfügung gestellt, siehe: 

https://www.livenet.ch/themen/leben/29010_das_eigene_dorf_neu_entdecken

 

Das Buch

Hanspeter Schmutz. «Wenn die Bevölkerung das Dorf entdeckt. Sieben Strategien für eine werteorientierte Ortsentwicklung – und was die Kirche dazu beitragen kann.» Gebunden, 244 Seiten. ISBN: 978-3-85570-158-2 Bern, 2023, Berchtold Haller Verlag, CHF 25.–

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