Praxis: Suche den Frieden und jage ihm nach

Überall auf der Welt sehnen sich Menschen nach Frieden. Unsere Kolumnistin Ruth Maria Michel gibt zu dieser berechtigten Sehnsucht einige Anregungen zum Bedenken in der Stillen Zeit oder im Hauskreis.

(Lesezeit: 6 Minuten)

(Bild: Geralt auf Pixabay)

Wenn Christen vom Frieden sprechen, dann meinen sie nicht «Friede – Freude – Eierkuchen». Denn: «Der Christ liebt niemals christlich, wenn er das Böse ausser Acht lässt»1. Gott geht aber auch nicht den Weg «Wie du mir – so ich dir…». Nein, Gottes Stärke ist seine Entscheidung, auf Gewalt zu verzichten. Erlöst werden wir nicht durch die Macht der Mächtigen, sondern durch den, der als wehrloses Kind zur Welt kam.

 

1. Friede ist ein Geschenk Gottes in Jesus Christus, der unser Friede ist.  

Friede ist nicht etwas, was ein Mensch allein durch eigene Kraft erreichen kann. Gott offenbart sich als «Gott des Friedens»2. In der Person von Jesus erfüllt sich die Prophezeiung von Jesaja über den «Friede-Fürsten»3 als Leidensknecht4. Bei seiner Geburt werden die wesentlichen Folgen seines Kommens bestimmt: «Ehre sei Gott... und Friede auf Erden»5. Vor seiner Passion versichert Jesus seinen Jüngern: «Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch»6. Nach seiner Auferstehung betont er: «Friede sei mit euch!» – Es ist ein Friede, der in der Überwindung des Todes wurzelt. Durch den Empfang des Heiligen Geistes7 erhalten die Jünger eine neue Kraft zur Überwindung von dem, was das Leben hindert – die Sünde – und eine ständige Bedrohung für den Frieden im Leben der Menschen darstellt. Paulus bekennt Christus als «unser Friede»8 – auf der persönlichen und gesellschaftlichen Ebene.

  • Suche den Frieden: Will ich Gott bitten, den Frieden als Gabe Gottes in Jesus Christus zu empfangen?

 

2. Primat des inneren Friedens

Friede nimmt seinen Ursprung im Innern des Menschen. Dieser Friede hat nichts zu tun mit Teilnahmslosigkeit gegenüber dem, was um uns herum geschieht. Innerer Friede kann wachsen in ständiger Gemeinschaft mit Gott. Dann sind wir in der Lage, in Frieden mit anderen Menschen zu leben. «Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden9.» Ja, das erste Stück Welt, in dem der Friede Christi Gegenwart werden will, sind wir selbst in unseren Beziehungen. Dort, wo wir in Kleinkriege verwickelt sind, wo wir nicht in einer offenen Haltung zuhören oder mit Schlagwörtern miteinander kommunizieren, dort steht der Friede auf dem Spiel. Friede ist einerseits verbunden mit der Bereitschaft, Vergebung zu gewähren und um Vergebung zu bitten und andererseits mit der Bitte um Erlösung von Bitterkeit und Eifersucht sowie um Ausdauer im Leiden.

  • Suche den Frieden: Wie steht es um meine Bereitschaft, anderen Vergebung zu gewähren und selber um Vergebung zu bitten? Aber auch erlittenes Unrecht Gott zu überlassen, statt «mein Recht selbst in die Hand zu nehmen»?

 

3. Mitarbeitende in Gottes Friedenshandeln

Wenn wir mit innerem Frieden beschenkt sind, tragen wir Verantwortung, angesichts von Konflikten in unserem Umfeld einen Beitrag zu leisten, um Missverständnisse und Spannungen zu überwinden und uns für die Versöhnung von Menschen und Gruppen zu engagieren – durch weise Worte und die Bereitschaft, selber immer wieder den ersten Schritt zu tun: «Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heissen10

  • Suche den Frieden: Ist mein Konfliktverhalten geprägt von den Anweisungen des Evangeliums: barmherzig, klar und wahr?

 

4. Beziehung zwischen Frieden und Gerechtigkeit

Friede verbindet sich in der Bibel früh mit Gerechtigkeit: «Dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen»11. Eine ungerechte Welt kann nicht friedlich sein. Wenn Menschen die Grundlagen für das Überleben vorenthalten werden, sei es in unserer Nähe oder auch in weiter Entfernung, ist es nicht überraschend, dass dort Kriminalität, Gewalt, Extremismus und gefährliche, demokratiegefährdende Kräfte wachgerufen werden.

Suche den Frieden: Wie drückt sich mein Einsatz für Gerechtigkeit praktisch im Alltag aus? In meinem Reden, Konsumieren, politischen Verhalten …?

 

5. Liebe als Grundlage für ein friedliches Zusammenleben

Eine Hauptkraft, die sich dem Frieden widersetzt, ist der Egoismus, der sich im persönlichen Leben wie auch in der Gesellschaft zeigt. «Das einzige wirksame Mittel gegen Egoismus ist die Macht der Liebe, die die Liebe zur Macht – die oft den Frieden zerstört – besiegt12.» Diese Liebe hat praktische Auswirkungen, wie sie das Gleichnis vom barmherzigen Samariter offenbart. «Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede»13. – «Haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein14.» Die Wende zum Frieden in Gerechtigkeit, die wir im Weltmassstab erbitten, beginnt vor der eigenen Tür, in unserem persönlichen Leben. «Und der Friede hat kein Ende»15. – «Unsere Aufgabe ist es, damit vor Ort anzufangen16.» 

  • Suche den Frieden: Wie will ich dem Geisteswirken in mir Raum geben, damit die Geistesfrucht der Liebe und des Friedens wachsen kann?
  • Suche den Frieden: «Und der Friede hat kein Ende». – «Unsere Aufgabe ist es, damit vor Ort anzufangen.» Wo ist heute mein Ort, damit anzufangen?

 

6. Deshalb: Dieser Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, möge unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren17.

 

Frieden ist möglich!18

Du kannst ihn mitgestalten;

beginne bei Dir selbst:

öffne Deine Augen,

öffne Deine Ohren,

öffne Dein Herz,

lass Licht und Wärme

dort hinein,

öffne Deinen Mund.

Schaffe Frieden in Dir,

schaffe Frieden in Deiner Familie,

schaffe Frieden in Deinem Haus,

in Deiner Nachbarschaft

und in Deiner Umgebung.

Geh' auf andere zu,

sprich mit ihnen

und höre ihnen zu,

fühle mit ihnen,

versuche, sie zu verstehen,

nimm sie an, wie sie sind,

sei geduldig mit ihnen,

wie auch Du Geduld von ihnen erwartest,

vergib ihnen und tröste sie,

freue Dich und leide mit ihnen.

So schaffst Du Frieden

in Dir und um Dich herum.

Grosse Dinge werden nur

durch kleine Schritte bewirkt.

 

1 Madeleine Delbrêl

2 Römer 15,33; Philipper 4,9; Hebräer 13,20

3 Jesaja 9,5

4 Jesaja 53,5

5 Lukas 2,14

6 Johannes 14,27

7 Johannes 20,19ff

8 Epheser 2,14; Kolosser 1,18-20

9 Römer 12,18

10 Matthäus 5,9

11 Psalm 85,10

12 Erzbischof Prof. Dr. Anastasios an der Morgenandacht des ÖRK-Zentralausschusses am 16. Februar 2011 in Genf

13 Galater 5,22

14 2. Korinther 13,11

15 Jesaja 9,6

16 Franz Kamphaus

17 Philipper 4,7

18 Heinz Pangels

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