Zufrieden – im Frieden – Frieden

Woran denken wir in dieser bewegten Zeit? Welche Worte wirbeln durch den Kopf? Bei mir ist es das kurze Wort «Frieden». Frieden wünsch ich dir, Frieden wünsch ich mir… . Flugs kommt da die Melodie dazu und ich höre mich schon singen «…Fride für eus alli und für die ganzi Wält!» Ob das naiv ist, kümmert mich wenig. Warum ist Frieden so schwierig? Nicht machbar. Wirklich? Ist Frieden nicht viel mehr als nur die Abwesenheit von Krieg? 

(Lesezeit: 5 Minuten)

Mit seiner Friedensrede wurde Churchill 1945 zum Hoffnungsträger nach dem 2. Weltkrieg. Kalter Krieg hiess die Zeit in den fast 50 Jahren danach. 

«Nie wieder Krieg» von Georg Gessler (Quelle: https://www.gegessler.ch)

Frieden im kalten Krieg

Mit einem grossformatigen Ölbild «Nie wieder Krieg» lancierte der damals noch junge Bühnenbildner und spätere Kunstmaler Georg Gessler, GeGe, 1956 einen Aufschrei nach dem Einmarsch der Russen in Ungarn. 

Zahlreiche Regenbogenfahnen mit dem Aufdruck PEACE hingen anfangs der 70-er Jahre an den Balkonen in Zürich. Es war die Zeit des Vietnamkriegs. Hippies und Flower-Power waren in. Und die kirchlichen Hilfswerke riefen auf zur Halbierung der weltweiten Armut bis zum Jahr 2000, wohl im Wissen um die christliche Verantwortung, wie auch um die Sprengkraft von Ungleichheit und Benachteiligung. In diesen 25 Jahren hat sich die weltweite Armut aber verdoppelt.

Mit dem Mauerfall in Berlin und der Auflösung der Sowjetunion wähnten wir uns im Frieden, mindestens hier in Europa. Dass fast gleichzeitig die Abschaffung der Apartheid in Südafrika erfolgte, war für mich ein Hoffnungszeichen. 

Und jetzt die grosse Enttäuschung. Der Frieden ist bedroht, mehr denn je. Der Frieden zwischen den Nationen. Die Weltlage können wir kaum verändern, schon gar nicht, wenn wir als Schweiz gezielte Sanktionen nicht mittragen, weil sich Gas und Öl dadurch für uns verteuern könnten. Doch Sanktionen zeigen Wirkung – ohne den Gebrauch von Waffen. Wie weit sind wir bereit, materielle Vorteile zugunsten von Friedensbemühungen preiszugeben?

 

Kann man Frieden «schaffen»?

Ist Frieden überhaupt möglich, wo Ungerechtigkeit herrscht? In Südafrika kämpfte Nelson Mandela – (vor und) nach seiner 30-jährigen Einkerkerung – mit bewundernswerter Versöhnlichkeit gegen das menschenverachtende Apartheidsystem. In den USA war es Martin Luther King, der sein Leben im Kampf gegen die Ächtung und Versklavung aller nicht-weissen Menschen verlor. 

Und die Frauen im Iran wehren sich heute mutig und unter allergrösster Gefahr gegen die Gewalt und Drangsalierung der Frauen im Mullah Regime. Dona nobis pacem – gib uns Frieden! Allein schaffen wir Menschen das nicht. Als Glaubende wissen wir, dass wir nicht allein sind, doch wie schaffen das andere?

 

In einem überparteilichen Politseminar in Rasa setzten wir uns vor 20 Jahren mit den drei «Grundversuchungen» auseinander, die zu Unfrieden und Krieg führen können: Macht, Besitz, Beliebtheit.

 

Was heisst denn Frieden überhaupt? 

Althochdeutsch meinte «fridu» Schonung, Freundschaft. Allgemeiner definiert meint Frieden einen heilsamen Zustand der Stille und Ruhe. Frieden ist auch eine Harmonie, die erreicht wird durch die Abwesenheit von Konflikten. Äusserer Friede zeigt sich dann, wenn Völker und Staaten ohne Krieg leben.

Innerer Frieden hat mehr zu tun mit Zufriedenheit. Dazu muss ich nicht alles besitzen, kann aber mit dem, was ich habe, zufrieden sein. Ich lebe dann in Genügsamkeit, Bescheidenheit, massvoll und dankbar und ohne den Stress, all den «Black Friday»-Angeboten nachzurennen, die vor allem wegen Arbeitsausbeutung und Billigstlöhnen im Ausland so günstig zu haben sind.

Wie viele Menschen sind doch äusserst hilfsbereit und grosszügig. Sie helfen einander in der Nachbarschaft, spenden Geld für gemeinnützige Organisationen im In- und im Ausland, beschaffen Nahrungsmittel für Armutsbetroffene, spenden Weihnachtspäckli für den Osten, nehmen bei sich zuhause Kriegsflüchtlinge auf, finanzieren Patenschaften für Kinder im Süden, leisten Wiederaufbauhilfe und unterstützen mit Milliardenbeträgen die Abfederung von Umweltkatastrophen. Auch so lässt sich Frieden nicht machen. Aber all dies trägt zum friedlichen Zusammenleben bei.

 

Mit Liebe Not verringern

Wir können teilen und mit unserer Liebe – sie wird auch «Schwester des Friedens» genannt1  – persönliche Not verringern. Zufriedensein heisst im Frieden sein mit sich und der Welt. 

Den Frieden finden hat etwas mit Versöhnung zu tun. Sich mit Menschen nach persönlichen Verletzungen, Verleumdung, Gewalt, Erniedrigung oder Raub zu versöhnen, zeugt von Grösse. Aber auch von Gottesfurcht. Und oft ist es schon fast ein Wunder. Sich mit einem Schicksalsschlag zu versöhnen gehört dazu. Ihn anzunehmen, wie das etwa Hiob tut, ermöglicht einen Neuanfang. 

Die Kraft kann nach vorne wirken und verliert sich nicht in rückwärts gerichteter Gram und Wut. Auch hier wächst ein Stück Frieden. Und das passt doch ganz gut zur anbrechenden Zeit des Advents. 

 

1 Pfr. Martin Domke

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