Volkswirtschaft: Seid niemandem irgendetwas schuldig

Und wieder einmal reiben sich alle verwundert die Augen über die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Benzinpreise gehen steil nach oben, die Aktien steil nach unten. Die Inflation steigt ebenso schnell wie die Angst vieler Normalverdiener, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können. Ja, was haben wir denn erwartet? Seit vielen Jahren geben wir viel mehr Geld aus, als wir haben. Staaten und Private verschulden sich immer weiter, obwohl die Bibel klar vor Schulden warnt.

(Lesezeit: 9 Minuten)

Für alle Überraschten hier eine einfache Erklärung der aktuellen volkswirtschaftlichen Situation. Sie lässt sich mit einem Pulverfass vergleichen. Es ist aber nicht mit Pulver gefüllt, sondern mit Geld bzw. mit Schulden. 

(Bild: Tumisu auf Pixabay)

Das Pulverfass

Sie erinnern sich: Zur Verhinderung einer Rezession nach der Finanzkrise 2008 haben die Nationalbanken weltweit die Zinsen gesenkt. Zinsen sind der Preis für das ausgeliehene Geld bzw. für die Schulden, zum Beispiel für Hypotheken. Durch tiefere Zinsen werden die Schulden billiger: die Hypothekarzinsen fallen. Das motiviert Staaten und Private, Schulden zu machen, also etwa Hypotheken oder andere Darlehen aufzunehmen. Mit diesen Schulden können sie mehr kaufen und investieren. Um die neu nachgefragten Güter – in unserm Beispiel Häuser – anbieten zu können, müssen diese zuerst hergestellt – also gebaut – werden. Dies dauert länger, als Schulden wie eine Hypothek aufzunehmen.

In dieser Zwischensituation werden die Anbieter von Gütern wie etwa einem Haus zuerst mal die Preise für das gesuchte Gut erhöhen. Tatsächlich sind die Preise für Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum in der Schweiz seit 2008 um 50% bzw. 60% gestiegen1. Dadurch verdienen sie mehr als sie in Form einer Hypothek aufgenommen haben. Sie können diesen Mehrverdienst im Idealfall in die Herstellung neuer Güter – etwa weiterer Häuser – investieren. Dadurch steigt das Angebot von Gütern (Häusern). Der Wert dieser Güter kommt in ein Gleichgewicht mit der Geldmenge und die Preise sinken wieder.

Die allgemeine Preisentwicklung wird mit der Inflationsrate gemessen. Diese berücksichtigt allerdings nur die Preise bestimmter Güter. Aus verschiedenen Gründen stiegen die Preise vorerst noch nicht2. Darum kann die in den letzten Jahren stetig steigende Geld- bzw. Schuldenmenge als ein Pulverfass für die Geldentwertung (Inflation) gesehen werden, das sich immer mehr mit Geld bzw. Schulden gefüllt hat.  

 

Die Zündschnur

Dann kam die COVID-Pandemie. Zur Finanzierung der enormen Kosten für die Pandemiebekämpfung ab 2020 mussten sich Staaten und Private zusätzlich verschulden. Damit stieg der Schuldenberg nochmals stark an. Gleichzeitig – und das ist das Neue und Entscheidende – wurde zur Pandemiebekämpfung das Güter-Angebot eingeschränkt. So wurden beispielsweise Läden, Fabriken und Häfen geschlossen. Manche Lieferketten funktionierten nur noch schlecht oder gar nicht mehr. Diese Güter-Knappheit war die Zündschnur am Pulverfass der Inflation.

 

Das Zündholz

Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 war dann das Zündholz, das alles zur Explosion brachte. Durch den Krieg wurden sehr schnell weitere wichtige Güter knapp: Rohstoffe, Energie, Verbrauchs- und Konsumgüter. Dies führte sofort zu steigenden Preisen, von denen nun alle Menschen und Unternehmungen betroffen waren. Entsprechend stiegen nun auch die ausgewiesenen Inflationsraten immer schneller.

 

Der Brandbeschleuniger

Diese allgemein steigenden Preise bei sehr vielen Gütern führte zu einer Verteuerung der Lebenshaltungskosten. Folglich verlangen heute die Arbeitnehmenden mehr Lohn. Diese Forderungen müssen viele Arbeitgeber erfüllen, dies vor allem auch angesichts des sowieso schon bestehenden Fachkräftemangels. Die Löhne werden also steigen. Das führt zu höheren Personalkosten für die Unternehmungen. Folglich werden diese zur Kompensation dieser erneuten Kostensteigerung ihre Verkaufspreise weiter erhöhen. Die sich daraus ergebende Lohn-Preis-Spirale wirkt wie ein Brandbeschleuniger für die Geldentwertung (Inflation). 

 

Schulden sind nicht gut

Die vorgängigen Ausführungen machen es deutlich: Schulden machen ist nicht gut. Das gilt insbesondere auch für Staatschulden.

Staatsschulden schränken die staatlichen Handlungsmöglichkeiten ein

Das Geld, das für die Zinsen und die Rückzahlung der Schulden ausgegeben werden muss, fehlt für die Investitionen in anderen Gebieten wie etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Forschung, Soziales, Infrastruktur.

Staatschulden sind ungerecht

Das zusätzliche durch Schulden verfügbare Geld verbessert zwar die momentane Situation eines Staates. Zusätzliche Ausgaben und Investitionen können für den Moment getätigt werden. Aber dies geht zu Lasten der folgenden Generationen. Diese müssen zukünftig die Schulden und Zinsen durch neue Schulden oder höheren Steuern und Abgaben finanzieren.

Staatsschulden schränken den Wohlstand ein

Die höheren Steuern und Abgaben, welche die Bürgerinnen und Bürger eines Staates zur Finanzierung der Staatsschulden bezahlen müssen, schränken ihre privaten Konsum- und Investitionsmöglichkeiten und damit ihren Wohlstand ein.

 

Schuldenabbau ist gut

Dies sind keine neuen Erkenntnisse. Schon der Gott der Bibel hat für sein Volk Israel klare Gebote formuliert, um Schulden abzubauen: Alle sieben Jahre – im so genannten «Erlassjahr» – mussten Schulden innerhalb des Volkes Israel erlassen werden. Alle 50 Jahre – im so genannten «Jubeljahr» – bekamen alle Israeliten ihr verpfändetes oder verpachtetes Eigentum wieder zurück. Innerhalb des Volkes Israel war es verboten, Geld gegen Zins zu verleihen: Es gab ein «Zinsverbot». Verschiedene andere Vorschriften, etwa im Umgang mit Schuldnern oder Bürgschaften, machen ebenfalls deutlich, was Paulus in Römer 13,8 so einfach ausgedrückt hat: «Seid niemandem irgendetwas schuldig (...).»

Dass es gut ist, Schulden abzubauen, wissen wir eigentlich alle. Und es lässt sich am aktuellen Beispiel der Schweiz mit harten Fakten nachweisen. Dank der im 2003 eingeführten so genannten «Schuldenbremse» sind die Schulden in der Schweiz nicht mehr gewachsen, die Schuldenquote – die Schulden im Vergleich zum Bruttoinlandprodukt3 – ist sogar gesunken. Dadurch haben die internationalen Investoren mehr Vertrauen in die Schweiz als in andere grosse Volkswirtschaften und kaufen mehr Schweizer Franken als Euro oder Dollar. In der Folge hat der Schweizer Franken an Wert gewonnen. Diese Aufwertung ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Inflationsrate in der Schweiz weniger stark steigt als im Ausland.

 

Verzicht und Vertrauen sind notwendig

Staatsschulden abzubauen ist aus den dargelegten ökonomischen und ethischen Gründen wichtig. Schuldenabbau geht aber nur durch Verzicht. Im Falle der Staatschulden heisst dies, dass wir darauf verzichten, vom Staat immer mehr zu verlangen. In den letzten 20 Jahren haben sich die bundesparlamentarischen Vorstösse fast verdoppelt, auch weil für jedes erkannte oder formulierte Problem nach staatlicher Hilfe verlangt wird. Der Ruf nach dem Staat als Retter etwa in den Bereichen Klima, Pandemien, Kriege, Kosten, Katastrophen (u.a.) hat sich in den letzten Krisenjahren massiv verstärkt. Dieser Ruf ist als ein Ausdruck von Hilfs- und Hoffnungslosigkeit zwar zu verstehen. Er führt aber zu immer höheren Staatsausgaben und Staatsschulden mit all den negativen Begleiterscheinungen.

Die biblische Prophetie sagt uns voraus, dass die sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme in unserer Zeit immer grösser werden. In der Bibel ist die Rede von «Geburtswehen» für eine neue Schöpfung. Die nachhaltige Lösung kann also nicht darin bestehen, nach immer mehr Staat zu rufen und mehr Schulden zu machen. Das können wir uns gar nicht leisten4. Statt immer mehr auf den Staat sollten wir auf Gott und seine Gebote vertrauen und dem Rat des Apostels Paulus folgen: «Seid niemandem irgendetwas schuldig, als nur, einander zu lieben; denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt5

 

1 Quelle: https://www.raiffeisen.ch/casa/de/immobilienfinanzierung/eigenmietwert/ausblick-immobilienmarkt-schweiz.html

2 Einer der wichtigen Gründe für den ausgebliebenen Preisanstieg ist, dass das zusätzliche Geld aus den Schulden nicht hauptsächlich für Konsumgüter ausgegeben wurde, deren Preisentwicklung mit der Inflationsrate gemessen wird, sondern mehr in Investitionsgüter wie Immobilien, Aktien, Kunst und Luxusgüter geflossen ist. Deren Preise sind entsprechend stark gestiegen, aber sie werden im Warenkorb zur Berechnung der «offiziellen» Inflationsrate fast nicht berücksichtigt.

3 Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ist ein Mass für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Es misst den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die während eines Jahres innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft als Endprodukte hergestellt worden sind.

4 Die Steuerschulden haben heute schon den höchsten Anteil an den privaten Schulden. Im Kanton Basel-Stadt bezahlen 28% und im Kanton Genf sogar 36% der Steuerpflichten schon heute gar keine Steuern mehr, weil sie zu wenig Einkommen  haben. Wir erlauben uns also Staatsausgaben, die sich ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger gar nicht mehr leisten können.

5 Römer 13,8

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