Ernährung: Besser essen?

Die Plakate der Agentur C mit blauem Hintergrund und gelber Schrift sind schweizweit bekannt. Sie transportieren Aussagen wie: «Ich bin das Licht der Welt. Glaubt der guten Botschaft.» Oder: «Du, Gott, zeigst mir den Weg, der zum Leben führt. Die Bibel.» Unser Autor schlägt einen provozierenden Spruch vor, der auf den Plakatwänden bisher noch nicht zu lesen war. Obwohl er durchaus eine biblische Wahrheit widerspiegelt.

(Lesezeit: 6 Minuten)

Ich freue mich immer, wenn ich unterwegs ein Plakat der Agentur C sehe. Und ich kann mir vorstellen, dass es anderen Christen auch so geht. Ein kleiner Lichtstrahl des Evangeliums leuchtet in die Welt. Welche Wirkung entfalten wohl diese Plakate auf Menschen, die nicht christlich sozialisiert sind?

Inoffizieller Text-Vorschlag von Ruedi Brodbeck für ein Plakat, verbunden mit einem Augenzwinkern (Bild: zvg).

Wie gut tut Fleisch?

Kürzlich habe ich mich gefragt, wie wohl die Reaktionen ausfallen würden, wenn der Spruch in Analogie zu Römer 14,21 wie folgt lauten würde: «Es ist besser, kein Fleisch zu essen. Die Bibel.»

Ich kann mir vorstellen, dass eine kleine Minderheit dieser Aussage sofort zustimmen würde. Immerhin bekennen sich ja etwa 5% unserer Bevölkerung zu einer vegetarischen oder veganen Ernährung. Die Mehrheit wäre da wohl aber eher skeptisch. Gerade unter bewussten Christen würden wohl Stimmen laut, die mit dem Hinweis auf die christliche Freiheit vor jeglicher Gesetzlichkeit und insbesondere vor dem erneuten Einführen von Speisegeboten warnen würden.

Es ist klar, dass es Paulus an dieser Stelle in erster Linie um etwas Anderes geht. Keinesfalls redet er hier irgend einer Gesetzlichkeit das Wort. Paulus weiss, dass die Bibel kein generelles, explizites Verbot von Fleischspeisen kennt. Wenn auch gemäss Schöpfungsbericht Fleisch zu Beginn nicht Teil der menschlichen Ernährung war, so wurde es zumindest nach der Sintflut doch mit Einschränkungen zum Konsum zugelassen und im Opferdienst gar geboten. Paulus weiss aber auch, dass nicht alles, was erlaubt ist, auch gut ist. Welche Bedeutung kommt dem Rat von Paulus aus der Sicht aktueller wissenschaftlicher Studien zu?

 

Ernährung und die Umwelt

Unsere Gesundheit wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Nebst der Vererbung, Umweltfaktoren, sozialen Verhältnissen und medizinischer Versorgung spielt auch der Lebensstil eine grosse Rolle.

Beim Lebensstil ist die Ernährung von grosser Wichtigkeit. Nicht umsonst sagt man: «Der Mensch ist, was er isst.» Die Nahrung muss uns mit allem versorgen, was wir brauchen, sollte aber unsere Gesundheit nicht mit Stoffen belasten, welche für uns schädlich sind. Ernährungsmuster sind geographisch und kulturell sehr unterschiedlich. Noch in den 1960er Jahren wurde in Europa der Eiweissbedarf hauptsächlich durch pflanzliche Eiweissquellen (v.a. Getreide) gedeckt. Seither hat der Fleischkonsum fast überall deutlich zugenommen hat. Studien berichten von Zuwachsraten zwischen 200 und 500%!1 Der Anteil an tierischem Eiweiss beträgt heute ca. 58%, wovon Fleisch den grössten Anteil hat.

Das Bewusstsein, dass die enorme Produktion von Fleisch nicht ohne Kosten für die Umwelt abläuft, wird in unserer Zeit immer grösser. Die Produktion von 1 kg Protein von Rindfleisch benötigt 18 mal mehr Land, 10 mal mehr Wasser, 9 mal mehr Benzin, 12 mal mehr Dünger und 10 mal mehr Pestizide als die Produktion der gleichen Menge pflanzlichen Eiweisses aus Gartenbohnen2.

Verschiedene Studien haben ergeben, dass Ernährung mit einem hohen Fleischanteil zu einer deutlich höheren Treibhausgasemission führt (7,19 kg CO2e/Tag) als eine vegetarische (3,81 kg CO2e/Tag) oder gar vegane Ernährung (2,89 kg CO2e/Tag)3. Jemand, der sich fleischbetont ernährt, belastet also die Umwelt gleich stark wie je ein Vegetarier und eine Veganerin zusammen.

Insgesamt muss festgehalten werden, dass die Viehzucht einen der grössten Beiträge zur globalen Klimaerwärmung leistet.

 

Ernährung und die Gesundheit

Noch wichtiger als die negativen Folgen für die Umwelt scheinen mir jedoch die schädlichen Auswirkungen auf die eigene Gesundheit zu sein. 2015 hat die Internationale Agentur für Krebsforschung, eine Abteilung der WHO, verarbeitetes Fleisch wie etwa Wurstwaren als eindeutig krebsverursachend – und nicht verarbeitetes Fleisch als sehr wahrscheinlich krebsverursachend eingestuft. Am deutlichsten ist dies wahrscheinlich bei Dick- und Enddarmkrebs der Fall, es trifft aber auch auf Blasenkrebs, Brustkrebs und auch andere Krebsarten zu.

Aufgrund verschiedener Studien ist heute auch ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Fleisch und häufigen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Fettstoffwechselstörungen, Herzinfarkt sowie chronischen Nierenerkrankungen bekannt. Diese nicht übertragbaren Erkrankungen tragen ganz wesentlich zu unserer Krankheitslast bei.

Weniger bekannt ist der Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und infektiösen Erkrankungen. Einerseits handelt es sich dabei um Erkrankungen, die schon seit langem verbreitet sind, wie etwa Darmentzündungen mit Campylobacter oder Salmonellen und Hepatitis E. Andererseits geht es auch um Erkrankungen, welche erst kürzlich aufgetreten sind und uns alle direkt oder indirekt getroffen haben (SARS-CoV-2 – neues Coronavirus). Auch in Zukunft werden wir davon ausgehen müssen, dass Viren, welche ihr Reservoir im Tierbereich haben, durch den Konsum dieser Tiere oder durch Zwischenwirte schliesslich auf uns Menschen übergehen können.

 

Ernährung ist ein wichtiger Teil des Lebensstils

Es gibt unterschiedliche Gründe, den Konsum von Fleisch einzuschränken oder gar darauf zu verzichten. Unabhängig ob im Sinne des Tierwohls, aus klimapolitischer oder gesundheitsfördernder Perspektive: Ich meine, Paulus hat recht. Es wäre besser, kein Fleisch zu essen! Was weder für mich noch den Rest der Schöpfung gut ist, kann ich ruhig lassen. Könnte es zudem sein, dass Christen, die nicht nur vom Reich Gottes reden, sondern sich auch für Gesundheit und Umwelt in dieser Gesellschaft einsetzen, bei ihren Zeitgenossen glaubwürdiger rüberkommen?

 

1 Gonzalez et al. Meat consumption: Which are the current global risks? A review of recent (2010-2020) evidences; Food Research International 137 (2020) 109341

2 Sabaté et al. 2015, zit. bei Gonzalez et al.

3 Scarborough et al. (2014), zit. Bei Gonzalez et al.

 

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Kommentare

Edith Nüssli schreibt
am 11. August 2021
"Wir werden immer Rindfleisch essen", titelte Zeitungen der CH-Media-Gruppe im März 2021 in einem Artikel über das Buch "Alle satt?" von Urs Niggli. Urs Niggli war lange Jahre Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau und versucht in seinem Buch Lösungen aufzuzeigen für eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung.
Er bezieht dabei mit ein, dass rund zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche weltweit nicht für Ackerbau geeignet sind und nur durch Viehwirtschaft genutzt werden können. Auch in der Schweiz ist Graswirtschaft in regenreichen Hügelgebieten wie dem Toggenburg die beste Bewirtschaftungsform und unsere artenreichen Alpenweiden existieren nur dank der Nutzung durch Kühe, Rinder, Schafe und Ziegen.
Zudem gibt es auch anerkannte Wissensschafter, die belegen, dass die Kuh kein Klimakiller ist. Zum Beispiel Prof. Frank Mitloehner, der an der University of California Davis den Fachbereich für Tierwissenschaften leitet und sich intensiv mit den Themen Emissionen und Klimawandel beschäftigt. Sein Fazit am 38. Rindergesundheitstag in Giessen: "Die Kuh ist kein Klimakiller, sondern Voraussetzung um die Weltbevölkerung in Zukunft ernähren zu können."
Er wird weiter wie folgt zitiert: „'Methan wird nicht nur produziert, sondern auch wieder zerstört. Durch chemische Reaktionen in der Atmosphäre wird ein überwiegender Anteil des weltweit produzierten Methans innerhalb von 10 Jahren zu Kohlenstoffdioxid abgebaut.' Die Tierhaltung produziere dabei keinen zusätzliches Kohlenstoff. Die von Wiederkäuern ausgestossenen Methanmengen entsprechen der Menge Kohlenstoff, die von Pflanzen aufgenommen und zum Aufbau der Biomasse genutzt werden. Wenn sich die weltweite Zahl der Rinder nicht erhöht, bleiben produzierte und zerstörte Methanmengen im Gleichgewicht, so der Wissenschaftler." In der Schweiz nimmt der Kuhbestand übrigens seit Jahren ab.
Ausserdem ist nicht klar, für welche Produktionsform der im Text angegebene Ressourcenverbrauch für Rindfleisch berechnet wurde. In der regenreichen Schweiz spielt es zum Beispiel keine Rolle, wenn das Gras zum Wachsen viel Wasser benötigt. Wasser ist in genügender Menge vorhanden.
Nicht zu vergessen: Die biologische Wertigkeit von Erbsenprotein ist nicht gleich hoch wie die von Rindfleisch und Vitamin B12 gibt es nur in tierischen Lebensmitteln.

Mit der Aufforderung, weniger Fleisch zu essen, bin ich völlig einverstanden. Ich bin mit vegetarischer Ernährung aufgewachsen, essen noch immer wenig Fleisch und werbe seit über 40 Jahren für einen massvollen Fleischkonsum und auch sonst für eine schöpfungsgemässe Ernährung. Meine Schlussfolgerung als Agronomin: Dass Rindviehhaltung für die Schöpfung schlecht ist, ist falsch. Entsprechend ist massvoller Konsum von Rindfleisch, das auf Basis von Grasland produziert wurde, für eine nachhaltige und gesunde Ernährung sinnvoll.