Werden wir nicht alle diskriminiert?

Es ist auffällig, wie leichtfertig heute mit dem Begriff «Diskriminierung» bzw. «diskriminiert» umgegangen wird. Beeinträchtigt die Corona-Pandemie das gesunde Denken?

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Die Diskriminierung von Minderheiten aller Art ist zu einem Kernthema der öffentlichen Diskussion geworden. Zuerst wurde der Kolonialismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Wurzel allen Übels demaskiert. Er hatte die ethnischen Gruppen während der Kolonisation verfolgt und eingeschränkt ...

Eine Faust gegen jede Diskriminierung (Bild: Barbara Schmutz)

Diskriminierung in alle Himmelsrichtungen

Seither sind immer neue gesellschaftliche Gruppen als Diskriminierte entdeckt worden. Heute stehen Gruppen im Vordergrund, die wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Neigungen Diskriminierung erleben. Und nicht zu vergessen alle Frauen, die im Vergleich zu den Männern über zu wenig Macht verfügen, geringere Karrierechancen haben, einen kleineren Lohn erhalten oder sexuell belästigt werden. Nicht zu den Diskriminierten gehören bald nur noch die alten, weissen Männer. Sie werden schliesslich für die Diskriminierungen verantwortlich gemacht.

 

Diskriminierungen in Corona-Zeiten

Ein krasses Beispiel für den Missbrauch des Begriffs liefert täglich die (Nicht-)Bewältigung der Corona-Krise. Nachdem es möglich geworden ist, sich gegen das Virus impfen zu lassen, wurde alsbald die Frage diskutiert, ob Geimpfte, die höchstwahrscheinlich niemanden anstecken und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht angesteckt werden können, Zugang zu sportlichen und kulturellen Angeboten sowie Flugreisen erhalten sollen, die für Nicht-Geimpfte zu risikoreich wären. Nein, lautet der Befund der Nationalen Ethikkommission, denn damit würden alle andern diskriminiert, unbesehen davon, ob sie auf eine Impfung verzichten wollen oder diese noch gar nicht erhalten können. Auch linke und rechte Politiker und Politikerinnen stossen ins gleiche Horn.

Da stellt sich schon die Frage: Sind Menschen grundsätzlich diskriminiert, wenn sie aus irgendeinem Grund, zum Beispiel wegen mangelnder Gesundheit, fehlendem Geld oder einer schlechten körperlichen Leistungsfähigkeit auf Aktivitäten verzichten müssen, die für sie attraktiv wären – zum Beispiel auf die Besteigung des Mount Everest? Sollen alle, die problemlos einen hohen Berg besteigen können, darauf verzichten, nur weil all jene, die unter Höhenangst leiden, das nicht tun können?

Oder sollten wir nicht besser auf die Erweiterung der Ehe zur «Ehe für alle» verzichten, damit wir nicht eine Eheform schaffen, die per se diskriminiert ist, weil die gleichgeschlechtlichen Eheleute nicht gemeinsam Kinder zeugen können?

Die angebliche Diskriminierung der (noch) nicht Geimpften kann immerhin überwunden werden, wenn einmal genügend Impfstoff für alle vorhanden ist. Sollen alle bereits Geimpften trotzdem warten müssen, bis sie wieder ins Kino dürfen, bis es die andern auch können? Bis es keine Diskriminierten mehr geben wird? So zumindest lautet im Moment der Tenor sowohl bei Linken wie Rechten im Parlament. Das Problem: Was geschieht mit den Impfgegnern? Dürfen sie, obwohl sie ihre Benachteiligung freiwillig gewählt haben, nicht «diskriminiert werden», auch wenn sie ein höheres Risiko in Kauf nehmen, angesteckt zu werden oder andere anzustecken? Werden sie diskriminiert, wenn sie zuwarten müssen, bis das Virus so selten geworden ist, dass ihr Risiko, bei einer Grossveranstaltung angesteckt zu werden, minim geworden ist?

Der Diskriminierungsvorwurf an die gegen das Corona-Virus Geimpften ist im Übrigen zu relativieren: Denn bislang würden bei einer Öffnung des Sport- und Kulturbetriebs vor allem Menschen von Vorteilen profitieren, die wegen ihres Alters oder wegen gesundheitlicher Probleme als Hochrisikofall gelten und somit bereits aus diesem Grund die grossen Vorteile eines Impfpasses nur eingeschränkt wahrnehmen könnten!

 

Unterwegs zur Meinungsdiktatur?

Das Diskriminierungsverbot wurde in der näheren Vergangenheit so hoch gehandelt und in Gesetzen verankert – denken wir nur an die Antirassismus-Strafnorm –, dass die Nicht-Diskriminierung zu einem zentralen gesellschaftlichen Wert geworden ist, der traditionelle Werte zu verdrängen droht, zu absurden Gesetzen und Regeln führt und letztlich zur Meinungsdiktatur verführt. Insbesondere die Glaubens-, Meinungs- und Gewissensfreiheit sind erste Opfer dieser Tendenz. Damit soll nicht billiger Polemik das Wort geredet werden, etwa gegenüber sexuellen Randgruppen.

Unterdessen warnen aber selbst Medienschaffende vor einer Meinungsdiktatur. So etwa im Fachmagazin «Schweizer Journalist:in». Es gebe Haltungen und Meinungen, die von den Kolleginnen und Kollegen nicht mehr hinterfragt werden dürften. Als Beispiel kann die angeblich verbreitete sexuelle Diskriminierung im Haus TX Group (ehemals Tamedia) gelten, der hausintern nicht widersprochen werden durfte, wie eine Recherche im Konkurrenzmedium NZZ glaubhaft aufzeigte. Frauen sprächen in TX Group Redaktionen bereits von sexueller Diskriminierung, wenn ihr Artikel von einem Mann kritisiert werde.

 

Wie machte es Jesus?

Mit welchen Diskriminierungsvorwürfen hätte sich in einem solchen Meinungsklima wohl Jesus auseinandersetzen müssen, als er am Teich Bethesda nur einen einzigen Mann heilte – und alle andern auf Heilung warten liess?! Oder als er sich abwertend über Nichtjuden äusserte, als eine nichtjüdische Frau ihn um Heilung bat? Dass er sich dezidiert dazu bekannte, vor allem für das jüdische Volk gekommen zu sein, hätte ihm in der heutigen Medienlandschaft und sogar von Kirchenvertretern mindestens den Vorwurf der Intoleranz eingetragen. Dies gilt auch für die Tatsache, dass er in seinen engen Schülerkreis, den «Jüngern», keine Frau aufnahm. Und den Frauen dabei sogar ihren Ehemann und Versorger wegnahm. Jesus ging es um das Reich Gottes, das schon ansatzweise in diese Welt gekommen war. Diese Zielsetzung erforderte eine neue Perspektive und mutete Menschen Verzichtsleistungen zu, die man aus heutiger Sicht wohl anprangern würde.

Das letzte Abendmahl von Da Vinci zeigt Jesus mit einem reinen «Männerklub» (Bild: Internet).

Dass Begriffe wie Diskriminierung – aber auch Inklusion, Diversität und Integration – heute Konjunktur haben, ist das Resultat einer Werteentwicklung, die im Bestreben, eine neue humane Welt zu schaffen, einseitig geworden ist. Die Geschichte zeigt, dass solche Entwicklungen öfters im Fiasko endeten.

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