Unsere Gesellschaft braucht mehr integriertes Christsein

Wie weit reicht das Reich Gottes? Von Gott her gesehen ist die Antwort einfach: So weit wie seine Schöpfung reicht. Hören wir deshalb auf, Gottes Zuständigkeit auf unsere persönliche Spiritualität und die christliche Gemeinde zu beschränken. 

(Lesezeit: 4 Minuten)

Blicken wir auf unsere Umwelt: auf die Menschen um uns, die geschaffene Welt und das, was wir daraus gemacht haben. Lassen wir uns ein auf unsere Gesellschaft, die Wissenschaft und Politik, die Medien und die Kultur. Das alles gehört zum (Be-)Reich Gottes. Und müsste deshalb auch uns als Christinnen und Christen beschäftigen, dort, wo wir in dieses Reich hineingestellt und hineingesandt worden sind. Integriertes Christsein wird uns ein Leben lang herausfordern – und uns deshalb gut tun. Und es wird zur Heilung unserer Gesellschaft beitragen. 

 

Der Test mit einem Volk

Das Reich Gottes beginnt mit der Schöpfung durch den dreieinen Gott. Seine Werte lassen sich aus dem Charakter der heiligen Drei ablesen. Wir haben sie in der Wertepyramide der werteorientierten Dorf-, Regional- und Stadtentwicklung (WDRS) als die sieben Grundwerte einer Entwicklung vor Ort abgebildet2. Es setzt sich fort mit Menschen, die aus der Natur Kultur erschaffen, vorerst ganz handfest mit dem Bebauen von Boden und dem Gebären und Erziehen von Kindern. In einem nächsten Schritt mit Familienclans, die von Gott geduldig geführt und korrigiert werden. Mit einem Volk, das Gott aus der Sklaverei befreit, mit Land ausstattet und dann als fragiles Modell für die Völker beruft. Und kommt mit dem irdischen Erscheinen seines Sohnes Jesus Christus zu einem Wendepunkt. 

 

Die Botschaft wird persönlich und global

Spätestens jetzt wird die Botschaft gleichzeitig so persönlich und so global wie noch nie. Seine Jüngerinnen und Jünger tragen die Botschaft von Karfreitag, Ostern, Auffahrt und Pfingsten in die gesamte Welt. Sie ahmen zeichenhaft nach, was ihr Meister vorgelebt hat. Sie scheitern, stehen wieder auf und bauen das Reich weiter, manchmal unter schwersten Bedingungen, immer aber gemeinsam mit andern. Das geschieht bis heute.

Jesus hat das Reich Gottes ausgerufen, aber nicht erzwungen, sondern gesät. Seine Nachfolgerinnen und Nachfolger sind von ihm gerufen, diesem Samen in ihrem Leben und in ihrer persönlichen Spiritualität Boden zu geben und ihn fruchtbar zu machen. Der Meister befähigt sie dazu, ihren Glauben über ihre persönlichen Beziehungen zu anderen Menschen ansteckend zu leben. Darüber hinaus auch die Strukturen der Gesellschaft: als Berufsleute, Wissenschaftler, Kulturschaffende und Politikerinnen, als Konsumenten und als Entwickler ihres Wohnortes. Dafür können sie sich immer wieder in der christlichen Gemeinde ausrüsten lassen. Sie ist Tankstelle und Zukunftswerkstatt für das integrierte Christsein.

«Integrieren» meint «ganz machen». Integriertes Christsein ist ein Glaubens-, Denk- und Handlungsansatz, der davon ausgeht, dass in einem lebenslangen Lernprozess immer mehr Lebensbereiche vom Zentrum Jesus Christus her geprägt und verändert werden können, gemäss dem Dreiklang «Ganzheitlich glauben», «Integriert denken» und «Werteorientiert Handeln». In diesen vier Lernfeldern, der persönlichen Beziehung zu Gott, den zwischenmenschliche Beziehungen, den Beziehungen zur christlichen Gemeinde und der Beziehung zur Gesellschaft wachsen fachliche, menschliche und geistliche Kompetenzen. Sie fördern eine umfassendere Sicht auf das Reich Gottes. Und machen kompetent, in der Kraft des Dreieinen bei seiner Ausbreitung kompetent mitzuwirken.

 

 

Der Lernprozess des integrierten Christseins geschieht in vier Lernfeldern1.

Neue Zeit – neue Chancen

Die heutige Gesellschaft hat sich – zumindest in unsern Breitengraden – weit von ihren Wurzeln entfernt, die bekanntlich zu einem grossen Teil auf dem Boden einer christlichen Weltanschauung gewachsen sind. Unsere entchristlichte – um nicht zu sagen neuheidnische – Gesellschaft ermöglicht theoretisch allen Menschen, gemäss irgendeiner selbstgewählten Denk- und Glaubensweise zu leben, solange sie damit niemandem schaden. Das gilt es zu würdigen, denn sie ist nicht für alle Menschen selbstverständlich, obwohl sie in einem Grundwert des christlichen Weltbildes wurzelt. Die Beziehung zu Christus beruht bekanntlich auf einer freien Entscheidung, und sie macht frei von allem anderen, das uns knechten will.

Die jüngeren gesellschaftlichen Entwicklungen sind deshalb nicht einfach schlecht. Das Problem ist, dass wir uns darin oft zu bequem eingerichtet haben. Das bringt uns in die Gefahr, gegenüber der Gesellschaft blind, gleichgültig oder defensiv zu werden.

Dabei gäbe uns eine neuheidnische Gesellschaft mit christlichen Erinnerungen die Chance, die Stärken und Werte einer christlichen Weltanschauung neu zu formulieren und mitten in unserm säkularen Umfeld zu leben. «Die christliche Ethik ist keine Sektenethik», sagte vor Jahren der emeritierte Hamburger Ethiker Udo Krolzik. Das, was für die «Sekte» Christen gut ist, ist aus seiner Sicht auch für unsere säkulare Gesellschaft gut. Krolzik sagte dies im Blick auf die Bioethik. Im Blick auf Jesus und das Reich Gottes können wir aber ohne Zögern sagen: Die christliche Ethik gilt so weit, wie das Reich Gottes reicht.

Deshalb braucht unsere Gesellschaft von Christus geprägte Menschen, die in einer chaotischen Welt die Werte dieses Reiches leben, begründen und in die Gesellschaft einpflanzen. Mit der Geduld eines Bären, der Sanftheit eines Lammes und dem Mut eines Löwen. Bis er, der Lamm und Löwe zugleich ist, wiederkommt.

 

1 Mehr zum integrierten Christsein, zum Integrationswürfel und zu den vier Lernfeldern: www.insist-consulting.ch

2 mehr zu den Grundwerten der Ortsentwicklung: www.dorfentwicklung.ch

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