Volkswirtschaft: Wie Gott für Gerechtigkeit sorgt

Die kürzlich an der Urne abgelehnte 99%-Initiative wollte die laut den Jungsozialisten ungerechte Verteilung von Einkommen und Kapital in der Schweiz korrigieren. Die beiden ausdrücklich christlichen Parteien der Schweiz gaben für die Abstimmung gegensätzliche Parolen heraus. Grund genug, die Gerechtigkeitsdebatte anhand eines Blicks in die Bibel zu klären.

(Lesezeit: 8 Minuten)

Die Jungsozialisten haben etwas gerochen. Marcellus drückt es in Shakespeares’ Hamlet so aus: «Etwas ist faul im Staate Dänemark.» Besonders stinkt den Jungsozialisten die ungerechte Verteilung von Einkommen und Kapital in der Schweiz. Zuletzt wollten sie diese Ungerechtigkeit mit der sogenannten «99%-Initiative» bekämpfen. Diese Volksinitiative wollte eine höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen, um damit die Steuern Einkommensschwacher senken und mehr in die soziale Wohlfahrt investieren zu können. Zwei Drittel der abstimmenden Schweizerinnen und Schweizer wollten das nicht, die Hälfte ging gar nicht an die Urne.

Das ist erstaunlich, denn Gerechtigkeit und Solidarität sind Säulen der modernen staatlichen Ordnungen – zumindest in christlich geprägten Nationen. Diese basieren auf dem christlichen Menschenbild, dass alle Menschen gottesebenbildlich und damit gleichwertig sind. Doch auch die beiden Schweizer Parteien, die sich klar zu christlichen Werten bekennen, waren uneinig und sprachen gegenteilige Abstimmungsempfehlungen aus1. Die im Vorfeld der Abstimmung erlebte Gerechtigkeits-Debatte verdient also eine genauere Betrachtung. Ideologiefrei geht das nur durch einen Blick direkt in die Bibel, verbunden mit der Frage, wie Gott eigentlich für Gerechtigkeit sorgt.

 

Theokratische Ordnungspolitik

Im Alten Testament lernen wir Gott als Gestalter der sozioökonomischen Ordnung in dem von ihm auserwählten Volk Israel kennen. Das Ziel seiner Gesetze war es zu verhindern, dass finanzielle und soziale Differenzen zu gross und dadurch der innere Zusammenhalt und Frieden gefährdet wurden. Tatsächlich entwickelte sich Israel in den von Gott festgelegten Ordnungen zu einer sehr reichen und schuldenfreien Wirtschaftsnation mit einer sozialen Gerechtigkeit, die bei keinem anderen Volk jener Zeit in ähnlicher Qualität zu finden war.

Im Folgenden ein paar wichtige Gebote, mit denen Gott für Ausgleich, Gerechtigkeit und einen allgemeinen Wohlstand sorgte.

1. Erlassjahr: Alle sieben Jahre wurden Schulden innerhalb des Volkes Israel erlassen, was jeweils allen immer wieder einen finanziellen Neustart ermöglichte.  

2. Sabbatjahr: Alle sieben Jahre ruhten die Feldarbeiten und die Felder selbst, was eine entsprechende Vorsorgeplanung bedingte.

3. Jubeljahr: Alle 50 Jahre bekam jeder sein verpfändetes Eigentum wieder zurück, Sklaven konnten wieder zu ihrer Familie zurückgehen und verpachtetes Land wurde zurückgegeben, so dass über Generationen hinweg immer wieder der freiheitliche, ausgeglichene Urzustand hergestellt werden konnte.  

4. Zinsverbot: Innerhalb des Volkes Israel war es verboten, Geld gegen Zins zu verleihen; somit wurde das Geld vor allem in Realwerte investiert.  

Es gab viele weitere Gesetze zu Themen wie Erbrecht, Landbesitz und Handel. Die Arbeiterschaft wurde durch verschiedene Vorschriften vor Ausbeutung geschützt. Selbst der König Israels war einer moderaten Selbstbeschränkung unterworfen. 

Sonntagsruhe – auch für die Gesellschaft und die Natur (Bild: Pixabay)

Soziale Marktwirtschaft

Im Vergleich zu dieser stark eingreifenden göttlichen Ordnungspolitik sind die heutigen politischen Lenkungs-Initiativen – auch die der Jungsozialisten – geradezu harmlos. Und deren Bekämpfung mit Argumenten des wirtschaftlichen Niedergangs im Falle einer Einführung wirken lächerlich. Das Lachen vergeht allerdings beim Betrachten der Fakten:

  • Armut: 2019 waren 8,7% der Schweizer Wohnbevölkerung (735’000 Personen) von Einkommensarmut betroffen2. Zusätzlich waren 1,32 Millionen armutsgefährdet, weil sie ein 60% tieferes Einkommen hatten als der Durchschnitt3.
  • Vermögensverteilung: 2016 besassen rund 2 Prozent der Schweizer Steuerpflichtigen gleich viel Vermögen wie die restlichen 98 Prozent4.

In der reichen Schweiz gibt es viele Arme – und die Ungleichheit ist extrem. Sollten wir uns also nicht an der vorgängig dargestellten göttlichen Ordnungspolitik orientieren, um für Ausgleich zu sorgen, sie hat ja in Israel gut funktioniert?

Wir kennen seit dem 2. Weltkrieg in Europa mit der «Sozialen Marktwirtschaft» eine durch christliche Ethik motivierte Ordnungspolitik. Die oben genannten und weitere Zahlen etwa zur Verschuldung zeigen, dass diese nicht sehr wirksam ist. Zusätzlich verliert die soziale Marktwirtschaft im Rahmen des globalen Wettbewerbs an Bedeutung. Angesichts der starken Konkurrenz durch mächtige Volkswirtschaften insbesondere aus dem asiatischen Raum, die nicht von einer christlichen Sozialethik geprägt sind, ist schon die Erhaltung der bisherigen sozialen Errungenschaften schwierig. Radikalere Eingriffe zugunsten der Gerechtigkeit und Solidarität, wie Gott sie für sein Volk Israel vorgegeben hatte, scheinen daher nicht realisierbar. In unserer heutigen globalisierten Welt sind die internationalen Ausweichmöglichkeiten zu gross und das Kapital zu mobil.

 

Individualreformen statt Systemreformen

Die Bibel vollzieht vom Alten zum Neuen Testament einen Perspektivenwechsel, weg vom System hin zum Fokus auf den einzelnen Menschen. Weder Jesus Christus noch die neutestamentlichen Apostel und Propheten entwarfen ein Programm zur Reformation der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Aber sie konfrontieren bis heute jeden Einzelnen mit seiner sündigen Natur und Gottes Aufforderung zur Busse und Umkehr. Damit ist jeder persönlich auf- und herausgefordert, als Ausdruck der tätigen Gottes- und Nächstenliebe für Ausgleich und für die Bedürftigen zu sorgen, denen fröhlich zu geben, die bitten und Gott statt dem Geld zu dienen5.

Offensichtlich ist es für viele Menschen einfacher, «das System» verändern zu wollen, als ihr eigenes Verhalten. Dennoch ist es das, was Gott von allen Menschen fordert – und zwar weit über unsere verdienst- und leistungsorientierten Gerechtigkeitsvorstellungen hinaus. Er selbst macht den ersten und vorbildlichen Schritt, indem er durch den Opfertod seines Sohnes Jesus Christus jedem Menschen eine ebenso unverdiente und wie unermessliche Gerechtigkeit anbietet.

Aus dieser Perspektive reicht die Forderung der Jungsozialisten, «Kapital gerecht zu besteuern», bei weitem nicht. Vielmehr müssten Besitzerinnen und Besitzer von Kapital aufhören, ihr Kapital vor den Steuerbehörden zu verstecken. Zudem müssten sie es so einsetzen, dass es Ausgleich und Wohlstand für alle schafft. Dafür sind sie nicht primär dem Staat, sondern Gott gegenüber verantwortlich.

 

Weltreform

Ich weiss, das sind «fromme Wünsche». So wie das Volk Israel schon in alttestamentlicher Zeit Gottes Gebote einfallsreich umging, so halten sich die allermeisten Menschen bis heute nicht an sie. Darum gibt es so viel Ungerechtigkeit, Armut und Leid in unserer Welt. Die gute Nachricht ist: Gott gibt die Welt nicht auf. Er hat noch einen «Plan C»: Jesus Christus wird nochmals kommen, aber diesmal als König, um eine ganz neue Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu errichten. Dieses sogenannte «Tausendjährige Reich»6 wird unter seiner Herrschaft von Gottes Menschenliebe geprägt sein, so dass es allen Menschen in einer gerechten und solidarischen Welt gut gehen wird. Und Gott selbst wird für Gerechtigkeit sorgen. 

Bis es so weit ist, sind wir gefragt, das, was mit Gottes Kraft in unseren Möglichkeiten liegt, bereits hier und jetzt umzusetzen.

 

1  Die Evangelische Volkspartei (EVP) empfahl ein Ja, die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) dagegen ein Nein.

2  Quelle: Bundesamt für Statistik https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/wirtschaftliche-soziale-situation-bevoelkerung/soziale-situation-wohlbefinden-und-armut/armut-und-materielle-entbehrungen/armut.html

3  Quelle: Caritas Schweiz https://www.caritas.ch/de/was-wir-sagen/zahlen-und-fakten/armut-in-der-schweiz.html

4  Quelle: Schweizerischer Gewerkschaftsbund https://www.verteilungsbericht.ch/vermoegen/

5  zum Beispiel: 5. Mose 7f.; Sprüche 14,31; Matthäus 5,42; Matthäus 6,24; 1. Johannes 3,17

6  vgl. dazu Offenbarung 20,1 ff

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Kommentare

Wäfler Markus schreibt
am 1. November 2021
Abstimmungsparolen sind Momentaufnahmen der Beschlüsse der entsprechenden Pro-Kontra-Debatten in den Delegierten- Versammlungen. Dabei wird jeweil eine subjektive Bilanz gezogen: Positiv gewertete Punkte einer Vorlage versus negativ gewertete Punkte einer Vorlage. Diese Wertungsbilanz wird subjektiv vorgenommen, nicht objektiv. Deshalb resultieren u.U. auch durch eine "christliche Brille" unterschiedliche Empfehlungen weil unterschiedliche Wertungen entstehen.

Ich persönlich betrachte es als völlig verfehlt und daneben, die 99%-Initiative als Mittel für soziale Gerechtigkeit zu werten. JUSO & Co streben Abzocker-Sozialismus an und der hat sich als alles andere als sozial erwiesen. Die intelligente Wirtschaftsordnung Gottes im 3. Buch Mose wurde leider auch von Israel nur zeitweise eingehalten, mit entsprechenden Folgen. Die Behauptung, in der Schweiz herrsche eine riesige Ungleichheit bei den Einkommen stimmt nicht, wenn man den Gini-Koeffizient und diverse soziale Ausgleichsmassnahmen im Vergleich mit andern Ländern vergleicht. Auch die Verweise auf die Verteilung der Vermögen stimmt so nicht. INsbesonere sollte man immer auch überprüfen, wie die grossen Vermögen angelegt sind, und was sie bewirken. Dann stellt man fest, dass die Vermögen der Reichen meist in Unternehmen angelegt sind, welche Wertschöpfung generieren, Löhne, Steuern und Sozialabgaben bezahlen, usw. Die Wirkung von Vermögen ist auch segensreich für die BEvölkerung der Schweiz. Uebrigens: Die Bibel macht noch andere Empfehlungen, welche Wohlstand, Reichtum oder Armut verheissen. So gibt es zahlreiche Aussagen über die Folgen des eigenen Verhaltens, von Fleiss, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit usw. Zwei von zehn GEboten schützen das Eigentum. Es lohnt sich, auch diese Aussagen der Bibel zur Kenntnis zu nehmen. Z.B. 5. Mose 28, 1 - 14; Psalm 127; usw. Diverse Aussagen in den Sprüchen, z.B. 10, 2 - 7; 10,22; 14,31; 16,8; 17,5; 19, 15; 20,4; 20,13; 24, 30 - 34; 28,19; 28, 27;