Energie: Wir brauchen sie alle – aber bitte nur aus der Ferne

Der Energie-Hunger beherrscht unser Leben, heute wie auch schon in früheren Zeiten. Es dürstet uns nach Sonne, nach einer warmen Stube, nach warmen Mahlzeiten, nach warmer Kleidung: Unsere Grundbedürfnisse sollen gestillt werden. Dabei gilt: Alles, was wir unternehmen, arbeiten, produzieren, transportieren und ersurfen: all das benötigt Energie und zwar in rauen Mengen. Deshalb droht die Energie-Lücke!

(Lesezeit: 7 Minuten)

Bis vor 170 Jahren musste diese Energie mit menschlicher und tierischer Muskelkraft sozusagen vor der Haustüre erbracht werden. Als kleine Ausnahme gab es die Wasserkraft. Der Energiefluss war für den Einzelnen sprichwörtlich spür- und überschaubar. 

Mühle – Wasserkraft vor Ort (Bild: Pixabay)

Energie auf Knopfdruck

Mit der Entdeckung der fossilen Energieträger Kohle und Erdöl, welche sich in unvorstellbarer Energiedichte im Erdreich über Jahrmillionen gebildet hatten, ergab sich bei der Energienutzung ein Quantensprung. Die Elektrifizierung aller Lebens- und Produktionsbereiche hat diesen Quantensprung noch verdoppelt. Diese neuen Energien lassen sich grossindustriell, automatisiert und damit bequem einsetzen. Mit der weltweiten Mechanisierung und zuletzt der globalen Digitalisierung steigt der Energiebedarf ungebremst an.

Die Energie fliesst heute auf Knopfdruck. Dieser Komfort hat dazu geführt, dass wir kaum noch eine Beziehung zum persönlichen Energieaufwand haben. Selbst beim Velofahren oder mit einem Fitness-Tracker am Handgelenk geht es kaum ums Energiesparen, sondern eher um unsere Gesundheit.

 

Zwischen Energiewende und Energielücke

Heute ist der Ausdruck «Energiewende» in aller Leute Mund. Sowohl in der Politik wie auch mehrheitlich in der Bevölkerung ist anerkannt, dass die Zeit der fossilen Energieträger ausläuft, weil einerseits die Quellen allmählich versiegen, aber auch weil die Bereitstellung und Nutzung dieser Art von Energie grosse Umweltprobleme verursachen. Darum sollen sie durch erneuerbare Energien ersetzt und damit der Nachschub gesichert werden. Im Vordergrund stehen heute v.a. Wasser-, Sonnen- und Windenergie, Holzenergie und Biogas, Umwelt- und Abwärme. Jeder dieser Energieträger hat Vor- und Nachteile. In der Gesamtheit bieten sie wohl den gewünschten «immerwährenden» Nachschub, sie sind aber im Ausbau begrenzt. Wir kommen deshalb nicht darum herum, in allen Belangen mit der Reduktion unseres Energiebedarfs ernst zu machen. Sonst droht unweigerlich  die Energielücke.

Heute wird fieberhaft nach Ersatzmöglichkeiten für die fossilen Energieträger gesucht: Die Forschung arbeitet an synthetisch produzierten Kraft- und Brennstoffen wie Wasserstoff, Methanol u.a.m., die Gerätehersteller ersetzen in grossem Stil Verbrennungsmotoren durch elektrische Antriebe. Alle diese Ersatz-Anstrengungen benötigen in Herstellung und Betrieb viel elektrische Energie. Der Strom wird knapper. Und er sollte konsequenterweise aus erneuerbaren Quellen stammen.

 

Reduzieren und aus der Nähe beschaffen

Angesichts der begrenzten Ressourcen für erneuerbare Energien muss davon ausgegangen werden, dass die Preise steigen. Folglich ist die wertvollste Energie jene, die nicht gebraucht wird.

Deshalb heisst das Fazit:  Energieverbrauch reduzieren – und den Restbedarf aus erneuerbaren Quellen beschaffen. Und wenn diese überdies aus der Region stammen, hilft das eine vom Ausland unabhängige Landesversorgung zu sichern.

Allerdings zeigt sich, dass gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien allzu oft Widerstand erwächst: Grosse Projekte für Wasserkraft oder Windenergie mühen sich an Reibungsflächen mit dem Natur- und Landschaftsschutz ab, Sonnen- und Holzenergieanlagen und oft auch Wärmepumpen werden in der Nachbarschaft oft nicht gern gesehen. Alle brauchen Energie – aber niemand will sie in seiner Nähe produzieren lassen!

 

Erneuerbare Energien schöpfungsverträglich nutzen

Christlich orientierte Menschen tragen hier eine besondere Verantwortung. Sie wissen um die belebte und unbelebte Schöpfung als Geschenk Gottes,, das er uns zur Nutzung und Bewahrung anvertraut hat. Sie bietet uns eine reichhaltige Lebensgrundlage. Dieser Grundlage sollen wir Sorge tragen – aus Respekt unserm Herrn gegenüber, aber auch gegenüber unsern Nachkommen.

Die sorgfältige Nutzung von erneuerbaren Energien ist schöpfungsverträglich. Sie ist nachhaltig,  steht also auch den nachfolgenden Generationen zur Verfügung. Wenn wir sie in unserer Nähe produzieren lassen, können wir bei deren Erzeugung mitreden. Das heisst aber auch, dass wir die entsprechenden Installationen «vor der Haustüre» dulden müssen. Es gilt, einen weisen Einsatz in geschickter Kombination aller verfügbaren erneuerbaren Energieformen anzustreben. Dies erlaubt uns, die geschenkten Ressourcen zu nutzen, aber gleichzeitig die Natur- und Umweltbelastung möglichst gering und heilbar zu halten.

Der bewusste, schöpfungsverträgliche Umgang mit Energie betrifft beide – die Energieproduzenten wie auch die Energieverbraucher. Für alle gilt: Die Wirtschaftlichkeit von Investitionsvorhaben sollte unter Einbezug des gesamten Lebenszyklus' beurteilt werden – von den Rohstoffen über die Herstellung bis zur Entsorgung. Entsprechende Dokumentationen sind in den betreffenden Branchen reichlich vorhanden. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass die aktuellen Kaufpreise zweitrangig werden sollten, weil die Langfristigkeit zählt.

 

Was können wir selber tun?

Wie können wir das Problem im eigenen Einflussbereich anpacken? Antworten geben Fragen wie: Müssen Komfort- und Konsum-Ansprüche immer weiter steigen? Brauchen wir das wirklich? Bei der Beurteilung helfen uns Berechnungsschemen zum persönlichen Fussabdruck1. Diese Schemen bilden alle Lebensbereiche ab und verbinden sie mit den spezifischen Ressourcen und dem Energiebedarf. Auch viele versteckte Energieaufwände wie Transporte, das Internet u.a. sind darin erfasst.

Der Blick auf den persönlichen Fussabdruck lässt erkennen, wo wir in unserer persönlichen Lebenssituation und bei unseren Gewohnheiten Optimierungspotenzial haben, und wo wir uns schmerzlos Absenk-Ziele vornehmen können. Zum Schluss als Tipp: Die Wiederholung der Fussabdruck-Berechnung nach einem Jahr zeigt den erzielten Erfolg und motiviert zu weiteren Optimierungen.

 

1 https://www.wwf.ch/de/wwf-footprint-rechner-weact1

Arbeitsgemeinschaft Klima, Energie, Umwelt der Schweizerischen Evangelischen Allianz: https://sea-aku.ch/

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Kommentare

Dominic Roser schreibt
am 11. November 2021
Erstaunlicherweise find ich folgende Aussage problematisch: "Deshalb heisst das Fazit: Energieverbrauch reduzieren".

Wenn die Welt bloss aus der Schweiz bestünde, dann fände ich die Reduktion des Energieverbrauchs absolut das Gebot der Stunde. Aber global gesehen ist es extrem schwierig zu sehen, wie das Armutsproblem gelöst werden kann, ohne dass wir Ja sagen zu einem global viel höheren Energiekonsum. (Dieser Artikel bringt es m.E. knapp und schön auf den Punkt: https://ourworldindata.org/worlds-energy-problem).

Jetzt könnte man natürlich sagen: OK, die Menschen in Armut sollen mehr Energie konsumieren und wir weniger. Aber: gegeben, dass gleichzeitig der Energiekonsum eines Grossteils der Menschheit steigen muss *und* dieser Energiekonsum komplett CO2-frei werden muss, finde ich es unter dem Strich besser, wenn die reichen Länder den allergrössten Teil ihrer Aufmerksamkeit darauf richten, neue Formen sauberer Energie zu entdecken. Und: das geht fast besser, wenn die Reduktion ihres eigenen Energiekonsums nicht *zu* viel Aufmerksamkeit frisst.

PS: Und um noch kritischer zu sein, eine weitere Frage. Wenn die Energie im Ausland gleich sauber und gleich teuer wäre, wäre es dann nicht zu begrüssen, wenn die Länder *nicht* energieunabhängig sind. Meine Grobhypothese ist, dass gegenseitige Abhängigkeit den internationalen Kooperationswillen erhöht. Und Kooperationswillen ist das globale Gebot der Stunde.