Dorfentwicklung: Viel Einsatz und noch mehr Ertrag

Während wir gebannt nach Deutschland, entsetzt nach Afghanistan und beunruhigt in die USA blicken, sollten wir nicht vergessen, unsere Augen zwischendurch auch auf unsere Nächsten vor der Haustüre zu richten – auf unser Dorf oder das Stadtquartier – und seine werteorientierte Entwicklung. Hier können wir mehr als irgendwo sonst bewirken. Der Versuch einer Bilanz nach 10 Jahren als Gemeinderat in Oberdiessbach.

(Lesezeit: 6 Minuten)

Oberdiessbach – von der Falkenfluh aus gesehen (Bild: Hanspeter Schmutz)

Bekanntlich erhielt ich meine Impulse für die werteorientierte Ortsentwicklung Ende der 90er Jahre in Steinbach an der Steyr (Oberösterreich) vom damaligen Bürgermeister Karl Sieghartsleitner. Er zeigte mir sein Dorf, seine Bewohner, die Kirchgemeinde und das, was geschehen kann, wenn Menschen ihr Christsein vor Ort und zusammen mit allen Menschen guten Willens leben wollen.

 

Werte säen

Meine in Steinbach gemachten Erfahrungen teilte ich u.a. mit dem damaligen Gemeindepräsidenten von Oberdiessbach. Er fand Gefallen an den Prinzipien der werteorientierten Dorf-, Regional- und Stadtentwicklung (WDRS) und lud mich an eine Retraite des Gemeinderates ein. Auch dort kam dieses Modell der Ortsentwicklung gut an, u.a. auch beim Gemeindeschreiber und beim heutigen Gemeindepräsidenten. Nach einem Referat vor dem Detaillisten-, Gewerbe- und Dorfverein schlug die Idee Wurzeln. Im Anschluss an die Ortsplanung wurde vom Gemeinderat ein werteorientierter Dorfentwicklungsprozess gestartet, mit Kickoff-Veranstaltung, Workshops und mit der Gründung des Dorfentwicklungsvereins «Zäme für Oberdiessbach»1. Er wurde zur Plattform für Ideen und zur Startrampe für Entwicklungsideen.

 

Der Gemeinderat als Entwicklungslabor

Vor gut 10 Jahren rutschte ich als Nachfolger des damaligen EVP-Vertreters in den Gemeinderat. Das bedeutete eine Vielzahl von Terminen, das Betreuen des Ressorts «Soziales» und die Möglichkeit, in allen Bereichen der Dorfpolitik intensiv mitzudenken. Zu meiner Bilanz nach 10 Jahren als Gemeinderat gehört die Erkenntnis, dass es kaum etwas Wirksameres gibt als das Wirken in der Exekutive einer Gemeinde. Hier wird alle 14 Tage über die Dorfentwicklung diskutiert und entschieden, Konflikte werden angesprochen und so weit möglich bereinigt. Und es wird viel Geld eingesetzt: möglichst sinnvoll, angemessen und fruchtbar für alle. Bei Projekten und im eigenen Ressort bin ich direkt engagiert, im Übrigen arbeiten andere für die Ziele der Dorfentwicklung, u.a. auch die Gemeindeverwaltung. Was gibt es Schöneres?

Anlässlich meines Rücktrittes aus dem Gemeinderat und dem Lancieren der nächsten EVP-Generation in den diesjährigen Gemeindewahlen stellte ich in einem Newsletter ein paar Höhepunkte zusammen. Als Zeichen des Dankes auch für alle, die am Realisieren dieser Projekte beteiligt waren. Die einzelnen Punkte mögen ausserhalb des Dorfes weniger interessieren, geben aber doch einen kleinen Einblick in das, was vor Ort möglich ist.

Einige Höhepunkte im Rückblick

«In der Sozialpolitik, für die ich als Gemeinderat bis Ende 2020 während 10 Jahren verantwortlich war, spricht man von 'sorgsamen Gemeinden'. Sorgfalt etwa im Bereich der Gesundheit. Dazu gehörte für mich gleich zu Beginn dieser zehn Jahre der politische Einsatz für eine ärztliche Grundversorgung im Dorf, die mit dem Ärztezentrum Oberdiessbach unterdessen bestens eingeführt ist. Sorgfalt braucht es aber auch im Umgang mit den Menschen im dritten (ab der Pensionierung) und insbesondere im vierten Lebensalter (Ü 80). Diese beiden Altersgruppen wachsen auch in unserm Dorf. Mit dem Aufbau des vom Seniorenrat geleiteten Seniorennetzwerkes der Region Oberdiessbach konnte dieser Entwicklung Rechnung getragen werden. Auch im Bereich Jugend ist Sorgfalt gefragt. Etwa in der Schulsozialarbeit, auf die ich bereits zurückgreifen konnte, aber auch beim Neustart einer bewussten Jugendpolitik. Mit dem Realisieren des Mehrgenerationenplatzes wurde auch den übrigen Altersgruppen die nötige Sorgfalt geschenkt.

Das Jubiläumsjahr 2018 gab uns als Dorfbevölkerung die Gelegenheit, unsere Wurzeln ernst zu nehmen. Gleichzeitig gelang es, die Begabungen und Stärken der einzelnen Vereine, Institutionen und Einzelpersonen in rund fünfzig Projekten sicht- und erlebbar zu machen. Es war für mich eine Ehre, die einzelnen Projekte zu koordinieren, in einem Jubiläumsbuch zu dokumentieren sowie die Dorfgeschichte mit den 'Oberdiessbacher Infowegen' sozusagen 'begehbar' zu machen.

Zur Sorgfalt gehört aber auch eine entsprechende Schulraumplanung. Der Ideen-Workshop mit allen, die Einsprache gegen ein erstes Projekt eingelegt hatten, ist mir als Moderator in lebendiger Erinnerung geblieben. Die nun vorliegende angepasste Planung nimmt die unterschiedlichen Interessen ernst und schafft Möglichkeiten, die einem wachsenden Dorf gerecht werden2

 

Blick in die Zukunft

Nach den Gemeindewahlen von Ende September hat die nächste EVP-Generation das Ruder übernommen. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass wir im zweiten Wahlgang das Gemeindepräsidium erringen können. Dabei geht es uns aber nicht primär um Parteipolitik, sondern um die anhaltende Förderung einer werteorientierten Dorfentwicklung, zusammen mit den andern Parteien und allen Menschen guten Willens. Darunter sind nicht wenige, die sonntags im landeskirchlichen Gottesdienst oder in einer nahegelegenen Freikirche anzutreffen sind. Sie tanken dort auf, leben werteorientierte Gemeinschaft mit Gleichgesinnten und hören in der Predigt, was es heisst, die Nächsten zu lieben3.

 

1 www.zaeme-fuer-oberdiessbach.ch

2 www.oberdiessbach.ch

3 mehr zur werteorientierten Ortsentwicklung finden Sie auf www.dorfentwicklung.ch

Schreiben Sie einen Kommentar